Im Naturschutz ein Pionier, als Ehemann und Familienvater eine Katastrophe: Ulrich Tukur spielt im ARD-Film, der am Karfreitag ausgestrahlt wird, den Zoologen Bernhard Grzimek.

Kultur: Ulla Hanselmann (uh)

Stuttgart - Igel war als Kind sein Spitzname, das Stacheltier sein Leben lang sein Maskottchen. Angeblich hat er es als Wappentier in seine unvermeidlichen Krawatten einsticken lassen. Ulrich Tukur als gealterter Bernhard Grzimek hat meist einen putzigen Stoff-Igel in der Hand, wenn er über sein Leben, dessen Verdienste wie dessen großen Verwerfungen nachsinnt. Aus diesem Rückblick heraus beginnt der große „Grzimek“-Abend am Karfreitag in der ARD: epische 180 Fernsehfilm-Minuten, ergänzt von einer Dokumentation.

 

Garniert mit allerlei possierlichen Tieren präsentierte sich der Tierarzt, -forscher und -filmer über dreißig Jahre lang dem deutschen Fernsehpublikum: „Meine lieben Tierfreunde“ begrüßte er in seiner ARD-Sendung „Ein Platz für Tiere“ die Zuschauer und führte ihnen seine Mitbringsel vor: mal einen Geparden, mal einen afrikanischen Ochsenfrosch, mal einen Steppenpavian. Als freundlich-betulicher Onkel, der mit damals spektakulären Filmaufnahmen die weite Welt der wilden Tiere in die deutschen Wohnstuben der sechziger und siebziger Jahre holte und sich unermüdlich für den Arten- und Naturschutz stark machte: so ist er ins kollektive Gedächtnis der Deutschen eingegangen.

Bernhard Grzimek (1909–1987) rettete den Frankfurter Zoo, ließ die Serengeti nicht sterben; er ebnete der Öko-Bewegung den Weg und erwies sich ebenso als TV- und Filmpionier, der es verstand, die Macht der Bilder für seine Zwecke zu nutzen. Klima- und Umweltschutz, Massentierhaltung, Robbenschlachten: wenn das Biopic „Grzimek“, von Nico Hofmanns UFA Fiction für die ARD Degeto produziert, das Wirken der öffentlichen Person Grzimek ausbreitet, wundert man sich wiederholt über die Aktualität dieses weitsichtigen Mahners, der den Menschen gern als „Heuschrecke“ oder „Bestie“ titulierte.

Die Ehefrau erduldet die Affären ihres Manns

Weitaus mehr erstaunt die private und weniger bekannte Seite dieses Weltenretters: Diese ausführlich zu beleuchten, das ist das Verdienst des Fernsehfilms von Roland Suso Richter (Regie) und Marco Rossi (Drehbuch). „Ein Film muss beide Seiten der Person Grzimek zeigen – die berufliche und die private. Dadurch entstehen Reibungsflächen, das macht es spannend“, sagt der Regisseur. Denn so engagiert, selbstvergessen und hochmoralisch der Naturschützer im Kampf um das Wohl der Tiere auftrat, so narzisstisch, rücksichtslos und schwach verhielt er sich gegenüber den Menschen, als Ehemann und Familienvater. Insofern hat das aufwendig fiktionalisierte ARD-Porträt durchaus seine Berechtigung: „Ein Mann mit dieser Lebensleistung“ habe es verdient, „mehr Kontur“ zu bekommen, formuliert es der ARD-Programmdirektor, Volker Herres. Eine berufliche Lebensleistung indes, die durch die komplementäre Ergänzung mit dem Privaten in einem ganz anderen Licht erscheint.

Grzimeks Ehefrau Hilde, gespielt von einer souveränen Barbara Auer, erduldet die Affären ihres mit Charme und Charisma ausgestatteten Ehemanns erst mit Gelassenheit, milde spöttelnd überspielt sie ihren Schmerz. Später hat ihr die notorische Untreue ihres Mannes Härte und Bitterkeit ins Gesicht geschrieben und sie zerbricht daran. Aus einer langjährigen außerehelichen Verbindung Grzimeks sind zwei Kinder hervorgegangen. Nach dem tödlichen Flugzeugabsturz seines Sohnes Michael (Jan Krauter) 1959 bei den Filmaufnahmen für den Oscar-Erfolg „Serengeti darf nicht sterben“ beginnt Grzimek eine Beziehung zu dessen Witwe Erika (Katharina Schüttler). Er lässt sich nach 43 Ehejahren scheiden, heiratet seine Schwiegertochter und adoptiert ihre Söhne, seine Enkelkinder. Sein Adoptivsohn Thomas hingegen muss stets mit der fehlenden Zuwendung Grzimeks zurechtkommen, der seine beruflichen Ziele über alles stellt. Der Sohn scheitert daran: Den Vater ereilt die Nachricht von Thomas‘ Selbstmord bei einer Pressekonferenz zu den Missständen bei der Hühnerhaltung.

Der Zoologe auf Tier- und Bilderjagd in Afrika

Die Stofffülle ist enorm, dabei setzt der Film erst 1945 an, als der Professor mit seiner Überzeugungskraft den Frankfurter Zoo zur Attraktion macht – die verheimlichte Mitgliedschaft in der NSDAP wird später nur kurz erwähnt. Auf das bombenzertrümmerte Frankfurt folgen eine Vielzahl unterschiedlicher Schauplätze: Man sieht den Zoologen auf Tier- und Bilderjagd in Afrika, beim Filmeschneiden, bei Kinopremieren, beim Staatspräsidentenempfang in Tansania wie im Gefängnis-Besuchszimmer bei seinem Sohn Thomas.

Richter führt die Episoden schlüssig zusammen und vermeidet weitgehend den Eindruck des bloßen Aufzählens; auch dem Reiz der Safari-Exotik und erhabenen Afrika-Panoramen, untermalt von melodischen Gesängen, gibt er nicht über Gebühr nach. „Anstatt in schönen Afrika-Bildern zu schwelgen, zeige ich lieber die menschlichen Beziehungen und Konflikte“, sagt er.


Dabei arbeitet Richter mit zwei Kameras – ohne Proben. „Das ergibt dann diese Unverstelltheit, Direktheit und vielleicht eine gewisse Härte. Sauberes Fernsehen gibt es schon genug.“ Auch in die erste Liebesszene von Erika und Grzimek seien sie „direkt reingegangen“. „Die Schauspieler hatten natürlich Angst vor dieser Person, waren aufgeregt, wie die realen Personen auch. Genau diese Angst will ich in so einem Moment zeigen“, so der Regisseur. Mit schnell wechselnden Einstellungen aus verschiedenen Perspektiven und häufigen Zooms rückt er den Figuren dicht auf den Leib – diese Unmittelbarkeit drängt die opulente Ausstattung in den Hintergrund und überwindet bloßes Kulissen-Fernsehen.

Einen wesentlichen Anteil an einer insgesamt gerundeten Dramaturgie hat freilich Ulrich Tukur, der es versteht, seiner Figur durch die Zeitläufte und die charakterlichen Ambivalenzen hinweg einen eigenen Kern mitzugeben. Der junge Enthusiast und Macher, der gewiefte Verhandler, der eitle Frauenverführer, der gefühlsarme Adoptiv-Vater, der sich enttäuscht von den Menschen abwendende, verbitterte alte Mann: Tukur bindet sämtliche Facetten nuanciert zusammen.

Der Tierschützer stirbt 1987 bei einer Zirkusvorstellung. Sein Grab liegt neben dem seines Sohnes Michael, inmitten der faszinierenden Fauna am Ngorongoro-Krater in Tansania – es ist der richtige Platz für Bernhard /Grzimek.