Wird der „Terror von rechts“ verharmlost? Eine beklemmende ARD-Dokumentation bündelt Belege, lässt die Hintergründe aber offen.

Stuttgart - Auch wenn die Fakten für sich genommen nicht neu sind: Das Gesamtbild, das Thomas Reutter mit seinem ARD-Film „Terror von rechts – Die neue Bedrohung“ entwirft, ist erschreckend. Allein die schiere Anzahl offenkundig rechtsextremistisch motivierter Anschläge schockiert. Gleiches gilt für die Untätigkeit jener Behörden, die gegen diesen Rechtsterrorismus vorgehen sollten.

 

Schonungslos listet Reutter Belege für die Verharmlosung von Taten und Tätern auf. Da wird beispielsweise ein Sprengsatz, der in einem Flüchtlingsheim detoniert ist, im Polizeibericht so beschönigend umschrieben, dass in Medienberichten ein Böllerwurf daraus wird. Anderswo werden bei notorischen Neonazis Pistolen, Gewehre und Sprengstoff gefunden, doch oft kommt es nicht einmal zu Anklagen, weil den Personen angeblich keine konkreten Anschlagspläne nachgewiesen werden konnten; dabei ließen sich die Ziele laut Reutters Recherchen teilweise klar benennen. Stehen mutmaßliche Rechtsextremisten doch mal vor Gericht, fallen die Urteile gern milde aus; in den Begründungen werden die Männer zu „Suffköpfen und Waffennarren“ verniedlicht.

Reutter entwirft das Szenario eines Landes, in dem Islamisten die ganze Härte des Rechtsstaates zu spüren bekommen, während Neonazis als Einzeltäter behandelt werden. Ausgerechnet in diesem Punkt lässt der Film eine klaffende Lücke: Der Autor stellt zwar die Frage, ob im Hintergrund ein Netzwerk existiert, geht ihr jedoch nicht nach. Das ist umso erstaunlicher, weil er ohne Rücksicht auf etwaige Persönlichkeitsrechte die Namen der Männer nennt, die beispielsweise bei der rechtsextremistischen Kleinpartei „Der III. Weg“ die Fäden ziehen. Auch andere verurteilte Rechtsterroristen werden namentlich genannt. Die Suche nach Verbindungen, unterbleibt. Reutter beklagt zwar, dass Polizei und Justiz kein Interesse für die Zusammenhänge hätten – er selbst zeigt sie ebenfalls nicht auf.

Die Staatssekretärin kann sich das auch nicht erklären

Die Staatssekretärin Emily Haber aus dem Bundesinnenministerium ist in dieser Hinsicht keine große Hilfe: „Die Phänomene sind lokal“, behauptet sie; es gebe keine überregionale Vernetzung. Das Interview zieht sich wie ein roter Faden durch die Doku und bildet auch den ungewöhnlichen Schluss: Gerade noch hat Haber Wachsamkeit betont, da erzählt Reutter ihr die Geschichte von einem „Waffennarren“, der drei Kilogramm TNT und Schwarzpulver besaß, aber nicht angeklagt worden ist. Frau Haber versteht das auch nicht, dann muss sie leider weg – Reutter bleibt ebenso ratlos zurück wie der Zuschauer.

Der Titelzusatz „Die neue Bedrohung“ weist den Terror von rechts als aktuelles Phänomen aus. Rechtsextreme Gewalt ist jedoch nichts Neues. Offen bleibt zudem, warum Polizei und Justiz nach wie vor auf dem rechten Auge blind zu sein scheinen. Trotzdem ist der Film hochinteressant, auch, was die Optik angeht, denn Reutter zeigt mehrfach inszenierte Schwarzweißsequenzen, in denen Neonazis ihr Unwesen treiben. Durch ihre Verfremdung wirken die Passagen fast comichaft, stilistisch erinnern sie an die „Sin City“-Filme. Dass sie stets auch einen Rotanteil enthalten, wird kein Zufall sein: Mit den „Reichsfarben“ Schwarz-Weiß-Rot schmücken sich Nationalisten seit Jahrzehnten.