Der Film „Töten per Joystick“ offenbart die ganze Fragwürdigkeit des Drohnenkrieges. Die Autoren suchen auch nach Verbindungen mit Deutschland.

Stuttgart - Im modernen High-Tech-Krieg wird auf Knopfdruck und ohne eigenes Risiko getötet. Die Soldaten sitzen tausende Kilometer entfernt und sehen Bilder, die ihnen die Kampfdrohnen per Satellit auf den Bildschirm schicken. Einer davon war der US-Amerikaner Bandon Bryant. „Wir haben auf diese Jungs gefeuert, nur weil sie Waffen hatten“, erinnert er sich an einen Angriff auf eine Gruppe von Männern in Pakistan mit umgehängten Gewehren. Terroristen? Vielleicht. „Sie hätten aber auch Bauern sein können“, sagt Bryant. Bauern, die sich zum Schutz gegen Taliban bewaffnet hatten. Bryant erklärt heute, er brauche Hilfe, er träume „in Infrarot“.

 

Gegen Ende der „story“-Dokumentation „Töten per Joystick“ begleitet ihn die Kamera zum Tierarzt. Sein Hund hat einen Tumor, und Bryant „hat Angst, dass er einen treuen Begleiter verliert. Viele Freunde haben sich nach dem Ausstieg aus der Air Force von ihm losgesagt“, wird diese Passage im „Brisant“-Stil kommentiert. Trotz solcher Ausrutscher offenbart der Film von John A. Kantara und Michael Fräntzel dank einer umfassenden Recherche die ganze Fragwürdigkeit des Drohnenkriegs. Laut Stephan Sonnenberg, Völkerrechtler der Stanford University, seien unter den Opfern nur zwei Prozent „Führungspersonen“ aus der Terrorszene gewesen, dagegen habe es zwischen 3000 und 3500 Tote gegeben, von denen man nicht einmal die Namen kenne.

Zu den Drohnenopfern zählt auch ein Deutscher

Die Autoren suchen nach Verbindungen mit Deutschland. Dokumente der Air Force würden belegen, dass der US-Stützpunkt Ramstein als Brückenkopf genutzt werde, heißt es. Von hier würden die Satellitensignale aus den USA in die Einsatzgebiete in Europa, Afrika und in Teilen Asiens weitergeleitet. Das hatten vor einigen Wochen bereits die „Süddeutsche Zeitung“ und das ARD-Magazin „Panorama“ berichtet, allerdings nur auf Afrika bezogen. Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) reagiert nicht gerade so, als sähe er darin ein Problem: „Wir freuen uns über die deutsch-atlantische Partnerschaft seit Jahrzehnten, und das schließt auch Kommandostrukturen in Deutschland ein.“ Das Euro-Hawk-Desaster spielt in dem Film nur am Rande eine Rolle, etwas ausführlicher geht es um den Plan der Luftwaffe, bis zum Jahr 2016 selbst bewaffnete Drohnen anzuschaffen. Die Bedenken, dass bei Drohneneinsätzen der Bundestag umgangen werden könnte, bezeichnet de Maizière als „bösartige Unterstellung“.

Zu den Drohnenopfern zählt auch ein Deutscher: Bünyamin Erdogan aus Wuppertal. Als Augenzeugin tritt seine Schwägerin Chadia auf, die, voll verschleiert und in perfektem Deutsch, von dem Angriff auf das Haus der Familie im pakistanischen Wasiristan berichtet. Insgesamt fünf Menschen starben. Wasiristan ist das Gebiet, das Talibankämpfer und islamistische Terroristen als Rückzugsort nutzen. „Ist das der richtige Ort für eine Familie aus Wuppertal?“, heißt es im Kommentar etwas scheinheilig. Naheliegend, dass die Erdogans wenigstens zeitweise Sympathien mit der islamistischen Szene hegten.

Die Bundesanwaltschaft stufte Bünyamin Erdogan sogar als „Angehörigen einer bewaffneten Gruppe“ ein, der Angriff sei deshalb kein Kriegsverbrechen gewesen. Man erfährt jedoch leider nicht, auf welcher Grundlage diese Einschätzung getroffen wurde. Die Filmautoren halten das nicht für erwiesen und stellen die richtige, unbequeme Frage: Selbst wenn sich Bünyamin einer solchen Gruppe angeschlossen hätte, „wer bekäme das Recht, ihn mit einer Drohne zu töten?“

In Frankfurt steht Bünyamin Erdogans Bruder und Chadias Ehemann Emrah wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vor Gericht. „Im Gegensatz zu Bünyamin wird Emrah die Gelegenheit haben, sich zu verteidigen“, kommentieren die Autoren.