Der ARD-Zweiteiler „Die Alpen“ zeigt das Gebirge oft von oben in seiner Majestät. Und obwohl der Mensch klein dagegen wirkt, ist er sein größter Feind.

Stuttgart - Es ist die Vogelperspektive, die diesen Zweiteiler so besonders macht. Weil alles von hoch oben aus Flugzeugen und Helikoptern aufgenommen ist, die Ansiedlungen wirken wie Puppenstuben, die Menschen auf Gipfeln und an Hängen wie Ameisen, ist der Grundton rein optisch vorgegeben. „Ich soll einen Berg bezwungen haben? In Wahrheit sind wir dort oben nur kleine Kreucher und Fleucher“ sagt Reinhold Messner über seine Gipfelbesteigungen. Demut und Respekt vor dieser gewaltigen Landschaftsformation will er vermitteln, und das wollen auch die Filmemacher Peter Bardehle und Sebastian Lindemann.

 

Lange Kamerafahrten über steile Kuppen, Schneefelder, blühende Wiesen, über Gletscher und Wasserfälle geben ihrer vom SWR verantworteten Dokumentation „Die Alpen“ etwas grafisches, meditatives. Teile der grandiosen Luftaufnahmen kann man anschauen wie einen dieser Fototapeten-Entspannungsfilme. Den Anfang zum Beispiel, wenn es um die Urzeit geht, um die Verschiebung zweier Kontinentalplatten, die „diese Welt so nah am Himmel“ geschaffen hat, in einem Gebiet der Erde, in dem vor 50 Millionen Jahren ein Meer lag.

Oder während der langen Einstellungen auf Eigernordwand und Georges du Verdon, den sich seinen Weg bahnenden jungen Rhein oder Schloss Herrenchiemsee. Man bekommt hier vielfältige Eindrücke von der ganzen 1200 Meter langen Kette, die sich von Slowenien bis zu dem südfranzösischen Mittelmeergebiet zieht, dazu kurze Betrachtungen zu Geschichte, Kulturen und regionalen Besonderheiten.

Die Skigebiete gleichen im Sommer Industriebrachen

Aber „Die Alpen“ ist kein schönheitstrunkenes TV-Bilderbuch, denn kaum hat ein Tal, ein Gipfel, ein Sonnenaufgang den Betrachter gefangen genommen, folgt weniger Idyllisches. Die Berge, so die kritische Analyse der Autoren, sind auf dem besten Weg, „an ihrem Erfolg zu ersticken“, sie werden mehr denn je „von allen Seiten angegriffen“. Von Wasser und Wind sowieso, aber das gleicht sich durch die weitere Verschiebung der Kontinentalplatten einigermaßen aus. Was sich nicht mehr ausgleichen lässt, sind die zunehmenden Eingriffe des Menschen, die innerhalb von hundert Jahren das Landschaftsbild zum Teil komplett verändert haben. Wie mögen zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Tiroler Skigebiete ausgesehen haben, die heute im Sommer zerstörten Industriebrachen gleichen? Wie das Gebiet in der Steiermark, in dem seit Jahrzehnten Eisenerz abgebaut, und so der Berg Stück für Stück abgetragen und in ein von oben verrückt aussehendes Terrassengelände verwandelt wird?

Am Wasser entscheidet sich die Zukunft der Berge

Man dürfte es nicht mehr erfahren, die Zerstörung ist endgültig. Andererseits: bevor Tourismus, Straßenbau, Bodenschatzgewinnung dieser verlorenen Schönheit zusetzten, lebten die Bergbewohner oft in größter Armut, sie mussten ihr Geld anderswo verdienen und ganze Gegenden waren verödet. Was wird aus ihnen werden, wenn der Klimawandel immer mehr schneearme Winter beschert, die Gletscher abschmelzen, die Skifahrer ausbleiben und die Trinkwasserversorgung bedroht ist? Am Thema Wasser wird sich die Zukunft der Berge entscheiden, heißt es hier zu dieser Frage, nicht belehrend, sondern besorgt. Die Menschen, die als Basejumper mit Fallschirm in die Tiefe stürzen, sich auf Klettersteigen drängeln oder mit dem Mountainbike talwärts rasen, erscheinen in dieser filmischen Liebeserklärung an ein auf Ewigkeit angelegtes steinernes Massiv wie leicht lästige Übergangswesen, die arbeiten, spielen, an der Oberfläche kratzen, und dabei ergriffen sind von etwas Größerem, das sich nicht benennen lässt, aber leicht schaudernd erahnen.