„Wunschkinder“ erzählt in klaren, intensiven Bildern vom beschwerlichen Weg, den ein Paar gehen muss, um endlich eine Familie zu werden. Der Film beruht auf dem autobiografischen Roman von Marion Gaedicke.

Kultur: Ulla Hanselmann (uh)

Stuttgart - Ein Paar will ein Kind. Die natürlichste Sache der Welt. Nicht für Peter (Godehard Giese) und Marie (Victoria Mayer). „Das haben wir nicht verdient“, sagt Peter, nachdem es wieder nicht mit einer künstlichen Befruchtung geklappt hat. „Das hat niemand verdient“, korrigiert Marie. Nach drei Fehlschlägen unterzieht sich das Berliner Akademikerpaar ein weiteres Mal der psychologisch extrem belastenden, demütigenden Prozedur. Als sie das erste Ultraschallbild in den Händen halten, ist die Freude unermesslich.

 

Doch dann hört das Herz des Kindes in der zehnten Woche auf zu schlagen. Und sie stehen wieder am Anfang. Also doch eine Adoption? Sie lernen Sandra und Martin (Silke Bodenbender, Arnd Klawitter) kennen, die unter demselben Schicksal leiden und sich mit einer Auslandsadoption retten wollen; eine Zeit lang werden die beiden Paare zu Weggefährten.

Adoption: Diese letzte Möglichkeit, mit Unterstützung des Jugendamts zu einem Kind zu kommen, führt Peter und Marie nach Russland: Für ein deutsches Kind ist Peter mit 43 Jahren zu alt. Dort wartet Nina auf sie, ein entzückendes Baby, und Sonja (Jana Lissovskaia), die herzensgute, kämpferische Dolmetscherin eines Adoptionsvereins. Alles scheint gut zu werden, doch dann verhindert eine Richterin aufgrund eines Formfehlers die Adoption. Peter und Marie beschließen zu kämpfen, Revision einzulegen, obwohl ein Einspruch in ähnlichen Fällen noch nie erfolgreich war. Gleichzeitig eröffnet sich die Möglichkeit, ein anderes Kind zu adoptieren. Während Peter bereit ist, das „Ersatzkind“ zu akzeptieren, hält Marie unerschütterlich an Nina fest. Ihre Beziehung bekommt einen Riss.

Die Regisseurin kommt ihren Figuren sehr nah

Der Film „Wunschkinder“ schildert die enormen Mühen, die ein Paar auf sich nehmen muss, um ein Kind zu bekommen, eine Familie zu werden. Sein Weg führt immer wieder ins Nichts, ist mit Hindernissen gepflastert, von Rückschlägen beschwert. Es ist gewiss nicht der erste TV-Film, der um Paare mit unerfülltem Kinderwunsch kreist, aber einer, der seinen Protagonisten besonders nahekommt. Weder die IVF-Medizin noch die Adoptionsbürokratie stehen im Mittelpunkt: Die Regisseurin Emily Atef zeigt, was dieser Wunsch mit zwei Menschen und ihrer Beziehung macht und wie sich diese unter der Belastungsprobe verändert. „Was haben wir schon zu verlieren?“ fragt Peter, als er Marie davon überzeugen will, es mit einer Adoption zu versuchen. „Uns“ antwortet sie sehr hellsichtig. „Aber nicht, wenn wir zusammenhalten“, entgegnet er.

Atef erzählt klar, sachlich, in ausgeglichenem Tempo; ihren Protagonisten kommt sie sehr nah, schaut ihnen ins Gesicht, macht in ihren langen Blicken, Umarmungen die Nähe zwischen ihnen greifbar. Auch für den äußeren Rahmen, das Leben in Berlin, die Reise nach Russland, das Kinderheim findet die preisgekrönte Regisseurin schlichte, für sich sprechende Bilder. Ihre semi-dokumentarische Handschrift zeigt sich schon gleich im starken Auftakt: Stumm wandert eine Kamera durch ein Waisenhaus, zeigt Kinder, schlummernd, spielend, traurig, lachend, mit verweinten Augen.

Erstklassige Schauspieler tragen den Film

Dass „Wunschkinder“ so glaubwürdig und ergreifend ist, liegt aber nicht nur an Atefs Erzählhaltung. Das Drehbuch basiert auf dem autobiografischen Roman von Marion Gaedicke, „Wunschkind – Geschichte einer Adoption“; die Handlung setzt im Jahr 1999 ein. Dorothee Schön hat das 400-Seiten-Werk zu einem klassischen, wendungsreichen Drama auf 100 Seiten komprimiert. Es fesselt durch die innere Dramatik des Geschehens, die Gefühls-Achterbahn, auf der die Protagonisten zwischen Hoffen, Freude, Verzweiflung, Trauer und Sehnsucht hin und her geschüttelt werden.

Getragen wird der Film zudem von den erstklassigen Schauspielern: ein Segen, dass es sich bei Godehard Giese und Victoria Mayer nicht um sattsam bekannte Vertreter der allerersten Riege handelt, die durch prominente Rollen nicht „vorbelastet“ sind. Ihr authentisches Spiel trägt maßgeblich zum realistischen Anstrich bei. Atef und Schön verzichten zudem auf langatmige, die Illusion störende Erklärdialoge; Fakten, Informationen, zentrale Aspekte – etwa die Belastung der Hormon-Behandlung, der Erwartungsdruck, der von außen kommt – sind organisch, alltagsnah in die Handlung, die Gespräche eingebettet.

Am eindrücklichsten sind die Szenen im Kinderheim, in das der Adoptionsantrag die beiden führt. Im Film ein Heim im postsozialistischen Russland, gedreht wurde aber im polnischen Lodz. Die Kulissen, die Szenen dort sind so authentisch inszeniert, dass man kurzzeitig versucht ist zu glauben, es handle sich wirklich um Waisenkinder. Es sind Bilder, die ans Herz gehen, den Zuschauer gnadenlos manipulieren: Unweigerlich interpretiert man Trauer, Sehnsucht, Leiden in die großen Augen der Kleinen und ihre hochgestreckten Ärmchen hinein – und wünscht jedem einzelnen der Kinder das, was ihnen bislang verwehrt geblieben ist: ein Wunschkind zu sein.