Der tragikomische TV-Film „Ob ihr wollt oder nicht“ erzählt von einer an Krebs erkrankten Frau und wie sie durch ihr Leiden zu Eltern und Schwestern zurückfindet.

Stuttgart - Es ist ebenso seltsam wie bezeichnend, dass Krebsfilme immer wieder nach einem ähnlichen Muster funktionieren: Die tragische Hauptfigur entwickelt eine Haltung, die zwar rebellisch, aber auch lebensbejahend ist. Und vor allem ansteckend. Als sei die Krankheit ein Katalysator, bringt sie in den Mitmenschen nur das Beste zum Vorschein, voran viel Lebensmut. Weil der Handlungskern tragisch ist, werden die Geschichten außerdem gern als Komödie erzählt. Aus diesem Grund ist Ben Verbong genau der richtige Regisseur für diesen Film: Der Holländer ist hierzulande vor allem durch seine herzerfrischend komischen Paul-Maar-Verfilmungen „Das Sams“ und „Herr Bello“ bekannt geworden. In den Niederlanden hat Verbong dagegen überwiegend Filme gedreht, die alles andere als komisch waren. Kurz vor Drehbeginn musste er verkraften, dass das Leben die Geschichte des Films vorwegnahm, als seine ältere Schwester an Krebs starb.

 

Einige dieser Erfahrungen hat Verbong in die Inszenierung des Drehbuchs von Karin Howard und Katja Kittendorf einfließen lassen. Ohne jede Ankündigung steht eines Tages Laura (Katharina Marie Schubert) vor der Tür ihres Elternhauses. Sie hat die Chemotherapie abgebrochen und ist heimgekommen, um zu sterben. Zuvor aber will sie die Familie wieder vereinen: Seit Jahren haben die vier Schwestern nur noch sporadischen Kontakt untereinander, und alle zusammen waren sie schon ewig nicht mehr bei den Eltern (Senta Berger und Jan Decleir).

„Ob ihr wollt oder nicht“ gehorcht also erst einmal dem Muster typischer Familiengeschichten. Man fällt in frühere Rollenmuster zurück, streitet sich, versöhnt sich wieder, präsentiert alte Rechnungen, offenbart Geheimnisse. Nach und nach stellt sich heraus, dass keine der Schwestern ist, was sie zu sein vorgibt: Hausmütterchen Coco (Anna Böger) ist kreuzunglücklich und hatte noch nie einen Orgasmus, die unterkühlte Susa (Christiane Paul) ist dringend therapiebedürftig, und die hübsche Star-Designerin Toni (Julia-Maria Köhler), die ständig neu verliebte Jüngste, hat keine Aufträge mehr und rennt vor jeder Beziehung davon.

Schauspieler mit Theatererfahrung

Über all diese nach und nach zu Tage tretenden Probleme vergessen Protagonisten und Publikum allmählich den Anlass des Familientreffens, zumal es die Ablenkungen durchaus in sich haben: Toni wettet mit Laura, dass sie den Mann ihres Lebens finden wird; Laura verspricht im Gegenzug, zu ihrem Mann (Jan-Gregor Kremp) zurückzukehren, den sie verlassen hat, um ihm den Schmerz ihres Sterbens zu ersparen. Also zaubert Toni am Morgen darauf Paul (Mark Waschke) aus dem Hut, mit dem sie am Strand eine stürmische Begegnung hatte. Paul macht zunächst mit, aber dann wird ihm das Spiel zu dumm, und Toni merkt noch rechtzeitig, dass es gar keins ist, vor allem für sie selbst.

Verbong war es wichtig, für alle Rollen Schauspieler mit Theatererfahrung zu verpflichten, und das zahlt sich aus. Abgesehen von einigen wunderbaren Naturaufnahmen (Kamera: Theo Bierkens) spielt sich der größte Teil der Handlung im Elternhaus ab. Zum Ensemble zählt auch der kleine Rauhaardackel der Familie, dessen Ableben typisch ist für den mitunter schwarzen Humor der Geschichte: Da die Ereignisse den Beteiligten auf den Magen schlagen und die Essensreste regelmäßig im Fressnapf landen, ist Cäsar vermutlich der einzige, der dem Krebsleiden nur Gutes abgewinnen kann. Aber selbst das täuscht. Auf einen satten Rülpser aus dem Hundekörbchen folgt eine Begräbnisszene; zu Grabe getragen wird jedoch nicht die Tochter, sondern der Hund, der sich überfressen hat. Mit Lauras unvermeidlichem Sterben allerdings bekommt der Film doch noch sein tränenreiches Finale.

ARD,
Samstag, 21.45 Uhr