Wie können Medien das Vertrauen ihrer Leser, Zuschauer und Hörer zurückgewinnen? Die Autoren des ARD-Films „Vertrauen verspielt?“ suchen nach Antworten und reisen dafür bis in ein abgelegenes Tal in Norwegen.

Stuttgart - Wenn man verunsichert ist und nicht genau weiter weiß, dann geht Verschiedenes: Man kann sich in Floskeln flüchten, die irgendwie gut klingen und beruhigend wirken sollen. Wie Kai Gniffke. „Wir müssen jeden Tag versuchen, noch besser zu werden“, sagt der Chefredakteur von ARD aktuell zu Beginn des „story“-Films: „Vertrauen verspielt? Wie Medien um Glaubwürdigkeit kämpfen“. Jeden Tag besser werden? Wie soll denn das gehen? Ist da tatsächlich soviel Luft nach oben bei der „Tagesschau“?

 

Man kann die eigene Verunsicherung aber auch erst einmal eingestehen. Wie Dunja Hayali. Die ZDF-Moderatorin wird gefragt, wie die Medien Vertrauen zurück gewinnen können. Hayali blickt zur Seite, stammelt dann etwas wie „Boah, das ist wirklich...“, spricht von „der Gretchenfrage“, aber einen halbwegs brauchbaren Vorschlag, geschweige denn ein Patentrezept bringt sie nicht zustande. Hayali, die im Netz widerwärtiger Hetze ausgesetzt ist, hat für ihre Arbeit und wohl auch für ihren Mut und ihre Offenheit viel Lob und verschiedene Preise erhalten. Im Oktober 2015 hatte sie bei einer Demonstration Kontakt zu AfD-Anhängern in Erfurt gesucht und sich auch später mit Einzelnen wieder getroffen, hatte, wie es schien, unvoreingenommen zugehört und sich bemüht, deren Beweggründe herauszufinden. „Kleine Mosaiksteine“ seien das gewesen, sagt sie nun und wirkt dabei nicht sehr zuversichtlich. Unter all den klugen Ratschlägen, die dieser Film parat hält, wirkt Hayalis Moment der Ratlosigkeit besonders ehrlich und erhellend. Die Medienbranche hat viele Antworten auf ihre Glaubwürdigkeitskrise, aber sicher, welche die richtigen sind, sind sich gewiss nicht alle.

Die Autorin Sinje Stadtlich und ihr Kollege Bastian Berbner präsentieren dazu eine etwas merkwürdige Sammlung vermeintlich glaubwürdiger Programmbeispiele wie die „Vice“-Reportagen im Netz oder den Fernsehpreis-gekrönten WDR-Film „Syrien – Ein schwarzes Loch“. Merkwürdig deshalb, weil sie selbst davon nicht recht überzeugt scheinen. Und ein für die Krise entscheidendes Ereignis fehlt nahezu völlig: die Silvesterereignisse in Köln. Das bleibt ein Fehler, auch wenn sich eine Stunde zuvor die „Exclusiv“-Reportage „Böses Neues Jahr“ mit der Suche nach den Kölner Tätern beschäftigt (dieser Film war vorab nicht zu sehen).

Die Autoren schieben nicht alles auf die „Lügenpresse“-Hetze

Außerdem greifen Stadtlich und Berbner in ihrer Analyse zu kurz, weil sie die erschwerten ökonomischen Bedingungen im Internetzeitalter ausblenden. Denn der hehre Vorsatz, sich wieder mehr Zeit zum Recherchieren zu nehmen, scheitert im Medienalltag oft daran, dass dafür leider schon ein bisschen zuviel Personal eingespart wurde. Bezeichnenderweise reisen die Autoren bis in ein entlegenes Tal nach Norwegen, wo 6500 Menschen leben und eine Zeitung herausgegeben wird, die in dem skandinavischen Land die höchsten Glaubwürdigkeitswerte aufweist. Das Blatt sieht aufwändig gemacht aus und erscheint nur drei Mal die Woche, weil der Chefredakteur lieber drei gute als sechs schlechte Ausgaben pro Woche herausgibt, wie er sagt. Jetzt müsste man nur noch wissen, wie sich das finanziert.

Aber die Autoren machen nicht den Fehler, alles auf die „Lügenpresse“-Hetze zu schieben oder die Krise klein zu reden, weil die Umfragewerte sooo viel schlechter als früher nun auch wieder nicht sind. Sie problematisieren die Berichterstattung in der Flüchtlingsfrage und belegen mit Beispielen, dass dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk – nicht den anderen – Patzer etwa in der Ukraine-Berichterstattung unterlaufen seien. Zugleich thematisieren sie die „mediale Parallelwelt“ und das „Netzwerk von Verschwörungstheoretikern“. Utz Anhalt, ein ehemaliger Autor der Zeitschrift „Compact“, warnt vor diesem „Propaganda-Organ“ des ehemaligen „Konkret“-Redakteurs und Neu-Rechten Jürgen Elsässer. Der habe auf Interviewanfragen nicht reagiert, heißt es. Ein paar Schnipsel öffentlicher Tiraden Elsässers genügen, um dies nicht allzu sehr zu bedauern. Auch der ehemalige RBB-Moderator Ken Jebsen („Die Schuldigen sind die Medien“) schafft es noch mal kurz ins Erste.

Der „Spiegel“-Chefredakteur gibt sich selbstkritisch

Außerdem treten auf: ein selbstkritischer „Spiegel“-Chefredakteur Klaus Brinkbäumer, der etwa den „Stoppt Putin jetzt“-Titel vom Juli 2014 als falsch bezeichnet. Eine optimistische ARD-Vorsitzende Karola Wille, die ihren Sender heute „viel breiter aufgestellt“ sieht als zu Beginn des starken Flüchtlingszuzugs im Sommer 2015. Und viele andere. Sogar einige, die man nicht unbedingt erwarten durfte wie der Lokalreporter Michael Würz vom „Zollern-Alb-Kurier“. Würz ging den zahlreichen Gerüchten nach, die im Netz kursierten, seit die baden-württembergische Stadt Meßstetten Flüchtlinge aufnahm. Zum Beispiel dass der Supermarkt habe schließen müssen, weil die Flüchtlinge dort soviel geklaut hätten. Als Würz richtigstellte, der Markt habe nach wie vor geöffnet, sei er auf einer Bürgerversammlung bespuckt und angeschrien worden, berichtet er. Doch am Ende des NDR-Films erklärt er, nach einem Jahr würde die Stimmung kippen. Mittlerweile gebe es Leser, „die für uns auch Partei ergreifen“, nachdem man sich mit ihnen auseinandergesetzt und erläutert habe, wie die Redaktion arbeite, sagt Würz.

ARD, 11. Juli, 23.00 Uhr