Von 11. bis 15. November finden in Karlsruhe die 12. ARD Hörspieltage statt. Zu den Programm-Highlights zählen zwei live aufgeführte Hörspiele – ein Genre, das immer mehr Anhänger findet.

Kultur: Ulla Hanselmann (uh)

Karlsruhe - Bei den 12. ARD Hörspieltagen in Karlsruhe konkurrieren bis zur Gala der Preisverleihung am 14. November zwölf Wettbewerbsbeiträge um den renommierten „Deutschen Hörspielpreis der ARD“. Hörspielfreunde haben im ZKM und der Hochschule für Gestaltung also die Gelegenheit, etwa mit Oliver Sturms „King of Kings“ den libyschen Herrscher Oberst Muammar al-Gaddafi näher kennenzulernen oder mit Michel Decars „Jonas Jagow“ einen zornigen, jungen Mann dabei zu begleiten, wie er durch Berliner Clubs taumelt.

 

Es sind aber nicht nur die „Konserven“, also die fertig produzierten Hörspiele, die die Fans der akustischen Inszenierung in den nächsten Tagen nach Karlsruhe pilgern lassen – Ekkehard Skoruppa, der Hörspielchef von SWR2 und Projektleiter, rechnet mit acht- bis zehntausend Besuchern. Als Programm-Highlight gelten auch die Live-Hörspiele, bei denen, unmittelbar vor den Augen und Ohren der Zuschauer, auf einer Bühne ein Hörspiel entsteht. Das Genre hat in den vergangenen Jahren einen Boom erlebt. Kult-Status haben etwa die Shows von Oliver Rohrbeck, Jens Wawrczeck und Andreas Fröhlich erlangt. Die drei Sprecher sind seit 35 Jahren die Stimmen der Teenager-Detektive aus der Krimibuch- und Hörspielreihe „Die drei ???“; ihre Bühnenauftritte ziehen solche Massen an, das sogar der Privatsender RTL für die Live-Übertragung Platz im Programm freischaufelt. So verfolgten rund 20 000 Fans etwa in diesem August in der Berliner Waldbühne den neuen Fall „Phonophobia – Sinfonie der Angst“.

Auch der Comedian Bastian Pastewka tourt höchst erfolgreich mit dem Francis- Durbridge-Krimi-Klassiker „Paul Temple und der Fall Gregory“ durch Deutschland, den er 2013 erstmals live bei Hörspieltagen in Karlsruhe auf die Bühne gebracht hatte. Stefan Kaminski ist ein weiterer Star der Szene; und die Ulmer Kultur-Locations Theater an der Donau und Roxy können sich rühmen, die TV-Kultserie „Der Tatortreiniger“ mit Bjarne Mädel erfolgreich in ein Hörspiel verwandelt zu haben. Auch in Stuttgart bereichern Live-Hörspiele immer wieder das Kulturprogramm. Am 18. November wird etwa im Studio-Theater der erste Dengler-Krimi „Die blaue Liste“ des Stuttgarter Krimiautors Wolfgang Schorlau uraufgeführt.

Erholung vom Überfluss der visuellen Reize

„Direkt, spontan, ohne Netz und doppelten Boden, ohne den großen Theaterapparat“: das macht in den Augen von Ekkehard Skoruppa den Reiz von Live-Hörspielen aus, und zwar für Vertreter aller Altersklassen, „von acht bis achtzig“, wie er sagt. Das unmittelbare akustische Erlebnis, das die Fantasie beansprucht, sei dabei vielleicht auch deshalb so attraktiv, weil es im digitalen Zeitalter dem Überfluss der visuell-optischen Reize von Internet, Fernsehen, Kino etwas entgegenzusetzen habe.

In Karlsruhe feiern zwei Live-Inszenierungen Premiere: „Schalltot oder lebendig“ von Hermann Bohlen am 12. November ist eine Satire, die den Prozess einer Hörspielproduktion ironisch beäugt: Auf der Bühne arbeiten ein Regisseur, zwei Schauspieler und ein Toningenieur an den Aufnahmen zum Hörspiel „Die Ecke“. Die Rede ist von einer Küchenecke, in die der Protagonist Hubert immer schaut, wenn er nachdenkt. Und er muss gerade viel nachdenken, denn Valerie hat ihm gesagt, dass sie nicht mehr ihn, sondern einen anderen liebt.

Die Echtheit seiner Abenteuer will dann am 15. November beim Kinderhörspieltag ausgerechnet der Lügenbaron Münchhausen beim Live-Musikhörspiel „Münchhausens Abenteuer“ beweisen, mit der Unterstützung einer Handvoll Schauspieler und dem Geräuschemacher Max Bauer, der mit garantiert staunenswerten Live-Effekten aufwartet. Bei so viel Interesse am Hantieren mit Stimme, Sounds und Geräuschrequisiten vor dem Mikrofon ist es naheliegend, die Festivalbesucher selbst zu Produzenten von akustischer Ware werden zu lassen: In der neuen „ARD-Hörspiel-Box“ können sie ihr eigenes Hörspiel herstellen.