Die ARD hat beschlossen, ihre Kultserie „Lindenstraße“ im März 2020 einzustellen. Ist das ein Grund für die Zuschauer, wütend und verzweifelt zu sein? Für nostalgische Hardcore-Fans ganz sicher. Aber sonst herrscht eher Aufatmen.

Kultur: Tim Schleider (schl)

Köln - Jetzt wird es erst mal wieder große Aufregung um die ARD-Serie „Lindenstraße“ geben. Jetzt, da die Agenturen per „Eilmeldung“ mitteilen, die Programmkonferenz des Ersten habe beschlossen, die „Kultserie“ zum März 2020 einzustellen. Da wird es viele harte Kommentare der Fans in den Netzwerken geben, und auch die private Serien-Produktionsfirma GFF von Serienerfinder Hans W. Geißendörfer wird ihr Unverständnis zu Protokoll geben.

 

Die Wahrheit ist allerdings, dass abgesehen von solchen „Eilmeldungen“ sich das Interesse der Fernsehzuschauer an der „Lindenstraße“ sehr in Grenzen hält. Seit Jahren sinken die Einschaltquoten, dümpeln inzwischen weit unter zehn Prozent (zum Vergleich: der ARD-„Tatort“ kommt wenig später immer locker über 20 Prozent). Selbst, als Anfang September unter viel PR-Vorab-Trara das „Lindenstraßen“-Urgestein Hans Beimer seinen Serientod feierte, ging es nur hoch auf 12 Prozent für diese einzelne Ausgabe. Da mag eine Serie noch so sehr „Kultserie“ sein, die Produktionskosten rechtfertigen aus Sicht der Verantwortlichen einfach nicht mehr den Aufwand.

Die „Lindenstraße“ hat Fernsehgeschichte geschrieben. Das Format war zum Start im Dezember 1985 völlig neu, und Hans W. Geißendörfer hat es über viele Jahre genutzt, um auch gesellschaftliche Realität im Format einer Weekly Soap zu spiegeln. Dafür gab es 2001 zu Recht den Grimme-Preis in Gold.

Doch das Fernsehen hat sich in den vergangenen Jahren ästhetisch enorm weiterentwickelt. Die Art, Geschichten zu erzählen und dies in Bilder umzusetzen, ist radikal anders als noch vor zehn Jahren. Hier hat die „Lindenstraße“ heillos den Anschluss verpasst und wirkt inzwischen wie eine Schlagerparade im Hip-Hop-Klub. Alle Versuche, mit jungem Personal und neuen Schnittfolgen irgendwie hipper zu werden, wirkten zusehends verkrampft. Noch dazu wurden die Geschichten und Konflikte der Figuren immer absurder und unlogischer. „Unlogisch“ ist in einer modernen Serie eigentlich kein Problem, es muss halt nur schlüssig und spannend zugehen. Die „Lindenstraße“ kommt aber weiterhin mit der Realitätskeule daher, und da ist „unlogisch, unschlüssig und langweilig“ das Todesurteil und führt allzu oft zur Fremdscham beim Zusehen. Wer die „Lindenstraße“ heute guckt, tut es aus reiner Nostalgie.

Es gibt einen laufenden Produktionsvertrag zwischen ARD und Geißendörfer. Die ARD hat nun beschlossen, diesen Vertrag nach Ablauf Anfang 2020 nicht zu verlängern. Das ist eine völlig legitime Entscheidung. Die Serie wird keineswegs abgesetzt, sie wird einfach in anderthalb Jahren beendet. Kein Grund, wütend und verzweifelt zu sein. Und genügend Zeit, den Serienfiguren dann einen guten Abschied zu verschaffen.

Vermutlich wird es jetzt sehr schnell eine Online-Petition „Rettet die Lindenstraße“ geben. Wir jedenfalls sind nicht dabei.