Die ARD hat Jean-Luc Bannalecs Bestseller „Bretonische Verhältnisse“ verfilmt. Der Bretagne-Krimi wird dabei so aufgepeppt und rundgeschliffen, dass er fernsehtaugliche Austauschbarkeit annimmt.

Kultur: Ulla Hanselmann (uh)

Stuttgart - Als vor zwei Jahren der Krimi „Bretonische Verhältnisse – Kommissar Dupins erster Fall“ von Jean-Luc Bannalec erschien, standen zwei Dinge sogleich fest: Erstens hatte der unter Pseudonym schreibende Autor sein Debüt so angelegt, dass es zwangsläufig zum Bestseller werden musste. Eine pittoreske, touristisch beliebte Sehnsuchtsregion der Deutschen und ein nonkonformistischer Kommissar – aus diesen beiden simplen Zutaten hatten schon andere vor ihm eine kriminalistische Mixtur angerührt, die dem Massenpublikum mundet. Donna Leons Commissario Brunetti etwa darf seit Urzeiten im schönen Venedig das Verbrechen bekämpfen; und Martin Walker lässt seinen Chef de police Bruno Courrèges im Périgord für Recht und Ordnung sorgen und en passant dem Leser die französische Lebensart schmackhaft machen.

 

Zweitens, das war ebenso schnell klar, würde die Verfilmung nicht lange auf sich warten lassen. Mordaufklärungen in der wilden, wettergegerbten Bretagne würden garantiert auch das deutsche Fernsehpublikum, krimi- und reiseverliebt wie es ist, in den Bann ziehen. Und so ist es weiter nicht überraschend, dass Bannalecs forscher Kommissar Dupin sich schon heute in der ARD als TV-Figur auf dem Bildschirm materialisiert.

Der Fernsehauftritt dieses Monsieur Le Commissaire, der aus Paris in die bretonische Provinz nach Concarneau zwangsversetzt wurde und im Rahmen seiner Ermittlungen seine landeskundlichen Einsichten vertieft, ist also mit viel Erwartbarem behaftet. Nun wird der gemeine deutsche Fernsehzuschauer nicht gerade mit Überraschungen überhäuft. Sein Hunger nach Neuem und Ungewohntem, nach einer TV-Kost, die nicht nach industriellem Fast-Food, sondern hand- und hausgemacht schmeckt, bleibt allzu oft ungestillt. Leider wird der Zuschauer auch nach dem Genuss von „Kommissar Dupin –Bretonische Verhältnisse“ unbefriedigt zu Bett gehen müssen. Die filmische Umsetzung, die der Regisseur Matthias Tiefenbacher und das Autorenduo Martin Ess und Gernot Gricksch verantworten, hat neunzig kreuzbrave Krimiminuten hervorgebracht, austauschbar und ohne nennenswerten Esprit.

Er ist ein Beau – und genau das ist das Problem

Die Enttäuschung beginnt bei der Hauptfigur, bei Pasquale Aleardi. Nicht etwa, weil er schlecht spielt oder unansehnlich ist. Im Gegenteil: Aleardi ist ein Beau, und genau das ist das Problem. Im Buch tritt der kaffeesüchtige Kommissar dem Leser als unscheinbarer, grüblerischer, unergründlicher Charakter entgegen, im Film dagegen ist er vor allem nett anzusehen, smart und charmant – ein Dupin wie der Großstadtflüchtige aus der Bier-Werbung. In seinem ersten Fall muss er den rätselhaften Tod eines Hoteliers im Küstenstädtchen Pont-Aven aufklären. Der wurde im stattlichen Alter von 91 Jahren ermordet, kurz nachdem er erfahren hatte, dass er nicht mehr lange zu leben haben würde. Dupins Kombinationsgabe ist gefordert, wie auch seine Kunstkenntnisse, die er mit Hilfe der attraktiven Morgane Cassel (Ulrike C. Tscharre) auf Vordermann bringt. Denn die Lösung des Falles liegt in der kunstträchtigen Geschichte der Ortschaft.

Die subtile Schrulligkeit und Eigenwilligkeit, mit der Bannalec seinen Protagonisten ausgestattet hat, übersetzen Regisseur und Autor in allzu plakative Bilder: Wenn Dupin sich Notizen macht, führt Aleardi sich auf, als komponiere er ein musikalisches Oeuvre oder skizziere ein Kunstwerk – was originell sein soll, wirkt aber nur aufgesetzt. Dann wird ihm nicht nur eine Abneigung gegen die Bretagne, sondern auch noch, wohl abgeleitet aus seiner Vorliebe für Entrecôtes, gegen Fischgerichte angedichtet – ein Franzose würde sagen: impossible!

Anbiedernde Effekte und Pilcher-Flair

Ähnlich grobschlächtig erscheint der Umgang mit dem weiteren Personal. Nolwenn wandelt sich von der mütterlich-patenten Büroperle in der Romanvorlage zur jungen, aparten Assistentin (Annika Blendl); Dupins Kollege Kadeg (Jan Georg Schütte), im Buch ein unausstehlicher Wichtigtuer, wird zum komödiantischen Side-Kick des Kommissars.

Solche Mutationen sollten der Sache offensichtlich Pepp geben, doch genau diesen Pepp hat die Vorlage nicht und will sie auch nicht haben. Bannalecs Krimidebüt ist ein klassischer Whodunnit, angereichert mit viel regionaler Atmosphäre, gemächlich, ohne ästhetische Sperenzchen, aber mit prägnant gezeichneten Figuren. Anstatt auf die Anziehungskraft dieses Genres zu vertrauen, setzt der Filmkrimi auf anbiedernde Effekte und Rosamunde-Pilcher-Küstenbilder – schade!