Die ARD-Reportage „Nervenkrieg um Nordkorea“ zeichnet ein differenziertes Bild der Gefahr, die von Kim Jong-uns Regime ausgeht. Noch immer kann Nordkorea sich im Ausland mit Waffen eindecken. Und die deutsche Regierung gibt keine Antworten auf wichtige Fragen.

Pjöngjang - Was wir wissen und was nicht - unter dieses Motto stellen Medien seit einiger Zeit frühe Berichte über Terroranschläge und andere zunächst schwer überschaubare Ereignisse. Der ARD-Reporter Klaus Scherer hat diese Devise nun für den vom NDR verantworteten Film „Nervenkrieg um Nordkorea – Was treibt Kim Jong-un?“ übernommen, um zu beschreiben, wie gefährlich das Raketenprogramm Nordkoreas ist. Er habe einen Film „gegen die gängige Narration“ machen wollen, sagt Scherer.

 

Ein wichtiger Gesprächspartner ist für ihn Robert Schmucker, der am Münchener Institut für Luft- und Raumfahrttechnik lehrt. Schmucker, einst UN-Waffeninspekteur im Irak, hält Kims Jong-uns Atomprogramm für einen Bluff. Scherer legt einen Schwerpunkt seines Films auf die, wie er sagt,„detektivische Arbeit“ Schmuckers. Immer zeigt er, wie der gelernte Ingenieur Propagandabilder von Raketen analysiert. „Die Kabel schauen auch so komisch aus, das vibriert ja beim Flug, das scheuert dann, wir sehen hier keine richtigen Stecker. Das schaut aus wie aus’m Baumarkt“, sagt er zum Beispiel.

Schmucker wird von Journalisten immer wieder zum Thema nordkoreanische Raketen gefragt. Aber man merkt ihm an, dass es ihn wurmt, dass er mit seiner Position nicht durchdringt. Andere Experten sagen, für Menschen, die von Raketen getroffen werden, sei es unerheblich, ob es sich um High-Tech-Waffen oder notdürftig zusammengeflickte Todesinstrumente handle.

Raketenteile aus dem Ausland

Zu ihnen gehört Katsuhisa Furukawa, bis 2016 UN-Ermittler im Expertenteam zu Nordkorea. „Da wurde ein Digital-Konverter mit Bastelkleber mit einem Stromkreislauf verbunden“, sagt der japanische Waffenexperte bei der Beschreibung eines Bildes. Und: „Nordkorea blufft sicher auch. Sie sagen, sie haben eine Wasserstoffbombe, mit der sie eine Langstreckenrakete bestücken können, was womöglich nicht zutrifft.“ Aber, so Furukawa, „wir wissen es nicht.“ Sicher ist, dass Nordkoreas Militär davon profitiert, dass das Wirtschaftsembargo nicht funktioniert. Furukawa sagt, er habe mehr „Schlupflöcher“ als „gestopfte Löcher“ gesehen. Als die südkoreanische Marine 2012 die Trümmer einer ins Meer gestürzten nordkoreanischen Rakete analysiert habe, „seien 14 ausländische Raketenteile“ gefunden worden, etwa aus Großbritannien, der früheren Sowjetunion, der Schweiz, China, den USA, Südkorea.

Scherer erinnert in seiner facettenreichen Dokumentation zudem daran, dass das Verhältnis des Westens zu Nordkorea nicht immer so zerrüttet war wie jetzt. Im Jahr 2000 etwa erhielt der damalige südkoreanische Staatspräsident Kim Dae-Jung für seine diplomatischen Bemühungen den Friedensnobelpreis. Sein Unterhändler war Chung Moon. Wenn US-Präsident Donald Trump Kim Jong-un ein „Friedensangebot“ machte, würde dieser es annehmen, glaubt Moon heute. Er hält die Rhetorik Trumps, der den nordkoreanischen Machthaber als „Raketenmann auf Selbstmordmission“ bezeichnet, für kontraproduktiv.

Keine Antwort aus Berlin

Der aus deutscher Sicht interessanteste Aspekt in „Nervenkrieg um Nordkorea“: In der jüngeren Vergangenheit sei die nordkoreanische Botschaft in Berlin Ausgangspunkt von „Beschaffungsaktivitäten“ für Waffentechnikteile gewesen, sagt Hans-Georg Maaßen, Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV).

Davon weiß auch Ex-UN-Ermittler Furukawa. Er wirft der Bundesregierung mangelnde Kooperation vor. Man habe bei der deutschen Regierung angefragt, nach welchen Technologien die Nordkoreaner suchten“. In den „meisten wesentlichen Fällen“ habe er aber „nie eine Antwort bekommen“. Scherer sagt, dafür könne es unspektakuläre, „bürokratische“ geben. Aber es führt nun dazu, dass die Ausstrahlung von „Nervenkrieg um Nordkorea“ parlamentarische Begleitmusik bekommt: Am Wochenende teilte der NDR mit, Frithjof Schmidt, der Nordkorea-Experte der Grünen, habe eine Anfrage an die Bundesregierung gestellt. Der Außenpolitiker will die Vorwürfe Furukawas geklärt wissen.