Das Erste zeigt am Mittwoch um 20:15 Uhr Hans Steinbichlers Spielfilm „Landauer“. Er erzählt die Geschichte von Kurt Landauer, der Mann, der den Traditionsverein FC Bayern erfand.

Manteldesk: Mirko Weber (miw)

München - Zu Kurt Landauer aus Planegg, geboren 1885 und aus jüdischer Familie, mit dem Eisernen Kreuz II ausgezeichneter Weltkriegskämpfer, erst Spieler, dann Präsident des FC Bayern München von 1913–1914, von 1919–1921, 1922–1933 und noch einmal von 19471951, zehn Jahre später in Schwabing gestorben und in München-Freimann begraben, gibt es mittlerweile natürlich sowohl eine App als auch eine eigene Website. Landauer ist Ehrenpräsident vom FC Bayern, und wenn der Film von Hans Steinbichler über sein Leben heute Abend in der ARD gezeigt wird, dann werden ihn etliche Mitglieder in der sogenannten FCB-Erlebniswelt schon vorher gesehen haben.

 

Landauer ist jetzt also der Fußballoberbayer, der er niemals gewesen ist. Sieger, Erster, für immer Nummer Eins, wie es dann heißt. Allerdings muss man sagen, dass von all dem vor ziemlich genau fünf Jahren außer speziell interessierten Fußballhistorikern fast kein Mensch gewusst hat – und auch nichts wissen wollte. Die Klubführung ging dem Thema Landauer aus dem Weg, bis die Fangruppe Schickeria zur historischen Rückbesinnungsselbsthilfe griff und den Präsidenten Landauer mit einer durchdachten Choreografie vor einem herbstlichen Heimspiel gegen den 1. FC Köln hochleben ließ: der FC Bayern, hieß es da plakatiert, „war sein Leben – und nichts und niemand konnte das ändern“, was selbstverständlicher klang, als es in Wirklichkeit gewesen war.

Hans Steinbichlers Film nun setzt ein im Moment des größtmöglichen Triumphs für einen Fußballspieler oder Klubpräsidenten in Deutschland: am 12. Juni 1932 wird der FC Bayern in Nürnberg mit einem 2:0 gegen Eintracht Frankfurt zum ersten Mal Deutscher Fußballmeister. Hier, wie später in Trümmerdeutschland, blendet Steinbichler gekonnt vom schwarz-weißen Original in die fiktive Farbe. Und er hat, von Anfang an, den Schauspieler Sepp Bierbichler als Kurt Landauer. Es wird ihm als Figur allerhand Furchtbares zugemutet während der nächsten anderthalb Stunden, aber dem Film kann schon jetzt eigentlich fast nichts mehr passieren. Bierbichler trägt die Handlung.

Landauer kommt nach Dachau ins KZ

Zwischen der ersten und der zweiten Szene, dem Gewinn der Viktoria im Nürnberger Stadion und der Wiederankunft am Münchner Hauptbahnhof 1947, liegen ein halber Weltuntergang und eine persönliche Tragödie: Landauer wird 1933 bald nach der Meisterschaft mit einem jüdischen Trainer entmachtet. Doch der Verein lässt ihn nicht los. Über den kommissarischen Nachfolger Siggi Herrmann (Herbert Knaup) regiert Landauer noch bis 1937 in den „Judenklub“ hinein, der sich im Gegensatz zu 1860 München nie ganz gleichschalten lässt. Landauer kommt nach Dachau ins KZ, überlebt aber im Gegensatz zu drei von vier Geschwistern später alle Gräuel in der Schweiz. Als der FC Bayern dort noch einmal 1943 in Zürich gastiert, verneigen sich die Spieler vor dem ehemaligen Präsidenten auf der Tribüne. Nur der Trainer, Conny Heidkamp (Andreas Lust), hält sich – bedroht von der Gestapo – fern.

Aus diesen verschiedenen Blickwinkeln erzählt Steinbichler die Geschichte von Kurt Landauer als die Entwicklung eines Mannes, der sich als „Jude, Bayer und Deutscher“, grundheimisch im Dialekt, zuallererst jedoch als Fußballer begreift, und nichts davon wissen will, dass man auch nach dem Krieg primär den Außenseiter in ihm sieht. Landauer mache, sagt Conny Heidkamp, als es zu einem halbwegs klärenden Gespräch kommt, einfach „allen ein schlechtes Gewissen“. Und überdies sei seine Zeit „einfach vorbei“. Da freilich irrt er, denn kaum wieder angekommen, ist es eben Landauer, der gegen alle Widerstände selbst der Alliierten durchsetzt, dass der Fußball erneut einen Stellenwert bekommt in München. Das gelingt – und nützt nicht nur dem FC Bayern. Auch die von den Nazis komplett vereinnahmten Sechzger werden so schneller als gedacht rehabilitiert. Von nun an zählt wieder das nächste Derby.

Finanzieller Retter in der Not

Vordergründig also ließe sich „Landauer“ als Geschichte einer Befreiung und Rehabilitierung anschauen: über Massengräber vorwärts mit dem 4–4–2; die Welt als Fußballkugel. Aber so einfach ist es nicht. Von Beginn an nämlich wird erst in Andeutungen, dann schnell buchstäblich handgreiflich klar, dass der Jude Landauer für die meisten der Jude Landauer bleibt: ein Mann, dessen Wendigkeit man nutzt – und für den man sich dann doch geniert. Weil er alte Nazis als solche entlarvt und neuen Ausgrenzungen Einhalt gebietet; zumindest versucht er es. Steinbichler erzählt das nach dem Drehbuch von Dirk Kämper über eine etwas zu hollywoodeske Filmmusik hinweg als Geschichte eines Mannes, dem sein Freund Siggi empfiehlt: „Gib a Ruah. Schau an Himmi nauf . . .“. Dafür aber ist Landauer nicht in die Heimat zurückgekehrt, und außerdem schaut Bierbichler oft, als glaube er eigentlich nicht mehr daran, dass es sich noch groß lohnen könne, nach oben zu sehen. Er blickt nach vorn, auf den Ball. Was natürlich auch kurzsichtig ist.

Gedankt hat der FC Bayern Kurt Landauer sein Engagement nicht. Im Jahr 1951 wird der fünfmalige Präsident – und auch finanzielle Retter in der Not – auf der Jahreshauptversammlung sozusagen handstreichartig abgewählt und schnell vergessen. Landauer heiratet, das ist die herb-romantische Geschichte in Steinbichlers Film, eine frühere Liebe, Maria Baumann. Am Ende des Films sieht es so aus, als könnten die beiden jenseits des Fußballplatzes noch ein wenig glücklich werden. Aber was weiß man schon.