Am Montagabend hat Jan Hofer nach fast 36 Jahren als Chefsprecher seine letzte „Tagesschau“ moderiert – und ist dabei sogar ein bisschen emotional geworden.

Hamburg - Der Gong, das Taa,taa – ta ta ta taaa. Dann steht er, professionell und sachlich wie seit fast 36 Jahren, blauer Anzug, rote Krawatte, weißes Einstecktuch, hinter dem geschwungenen Tresen der „Tagesschau“, sagt, vielleicht mit einer Spur mehr Lächeln im Gesicht, sein „Guten Abend, meine sehr verehrten Damen und Herren“ und liest vor: Corona, Corona, Corona. US-Präsidentschaftswahl, Neues zum Fall Nawalny, die Champions-League-Auslosungen, der Tod von John le Carré.

 

Man könnte behaupten: Jan Hofer rezitiert nicht einfach nur, was sich in der Welt ereignet, sondern er steht für die Objektivität des Vermeldeten. Die Papiere, die er in der Hand hält, sind in Zeiten des Teleprompters zwar nur Staffage, aber sie verstärken das Bild des Soliden. Bei Hofer, dem Nüchternen, der nur ein einziges Mal, 2019 bei einem Schwächeanfall vor laufender Kamera nach noch nicht ganz überstandenem Infekt, zum Entsetzen der Zuschauer aus der Rolle fiel, liegt nichts ferner als ein Fake-News-Verdacht. Alles ist klar. Keine Klang-Nuance verrät, dass Hofer am Niederrhein geboren wurde. Das Image sitzt so korrekt wie die Kleidung – obwohl es offenbar Belege dafür gibt, dass der Sprecher sowohl sein Alter (offiziell: 68) als auch seinen Geburtsnamen (wohl eher: Johannes Neuenhofer) gefälscht hat.

Ein Fels in der Brandung der ältesten und quotenstärksten deutschen TV-Sendung

Schwamm drüber. Jan Hofer ist seit seinem Amtsantritt 1985 so etwas wie das personelle Signet der „Tagesschau“. Hinter ihm mag das Studio-Ambiente immer wieder gewechselt haben – er selbst blieb, ein Fels in der Brandung der ältesten und quotenstärksten deutschen Fernsehsendung so wie vor ihm Karl-Heinz Köpcke, Werner Veigel, Dagmar Berghoff und Jo Brauner. Die „Tagesschau“ setzt auf Kontinuität, und so ist es nur folgerichtig, dass kein anderer als Jens Riewa, der 2021 sein 30-jähriges Dienstjubiläum bei der Nachrichtensendung feiert, zu Hofers Nachfolger gewählt werden konnte.

Jan Hofer steht aber nicht nur für Tradition. Ein Angestellter im Nachrichtengeschäft, das durch die Digitalisierung in den letzten Jahrzehnten enorm an Geschwindigkeit zugelegt und an Druck gewonnen hat, schaut zwangsläufig nach vorn. Hofer ist auch ein Fan der sozialen Medien (bis hin zu Tiktok), findet es „unfassbar spannend und auch so demokratisch, was da passiert“. Seine Begeisterung geht so weit, dass er sich zur Verwunderung der Zuschauer im September 2019 am Ende der „Tagesschau“ umdrehte und mit dem Handy ein Selfie-Video drehte. Wenige Minuten später verkündete er auf dem Instagram-Account der „Tagesschau“, dass die Sendung jetzt eine Million Fans bei Instagram habe.

Drei Dinge, hat Hofer mal gesagt, seien für seinen Beruf wichtig: „Man darf ihn nicht für sein Ego machen, man muss die vielen Vorteile und die Nachteile aushalten können“. Und man müsse immer wissen, wo man herkommt: „Wer davon schwebt und sich für etwas Besonders hält, ist schneller weg, als er glaubt.“ Vielleicht hat er bei der letzten Aussage auch an den Shitstorm gedacht, für den an einem Ostersonntag mal ein Auftritt im kanariengelben Anzug gesorgt hatte. Er hat den Gegenwind überlebt.

Zum Abschied gibt’s Blumen

Nun aber ist Schluss. Jan Hofer hat noch einiges vor, vielleicht im Fernsehen, vielleicht mit einem Podcast. Am Ende seiner letzten „Tagesschau“ ergreift Jens Riewa, der Nachfolger, das Wort, moderiert eine kleine Fotoreise durch dreieinhalb Jahrzehnte „Tagesschau“ und Zeitgeschichte – einschließlich jenes Krawatten-Fauxpas, den sich Hofer 2014 leistete, als er ausgerechnet zum WM-Finale der Deutschen eine Krawatte in der himmelblauen Farbe der argentinischen Nationalmannschaft trug, und einschließlich eines wunderbar cool und sanft korrigierten „Morgen wird es ka . . .-warm“ vor der Wettervorhersage.

Diese kündigt Jens Hofer jetzt für den 15. Dezember an. Den Tag danach. Als er sich anschließend für die Treue der Zuschauer bedankt, deren Briefe er alle gelesen habe, aber leider nicht alle persönlich beantworten könne; als er danach noch dem Team „vor und hinter der Kamera“ Dankeschön sagt, zittert zum ersten Mal seine Stimme. Dann greift er sich an den Hals und löst den Knoten der roten Krawatte. Der Profi legt seine Uniform ab. Er wird wiederkommen, aber ohne Nachrichten. Und ohne Schlips.