Als erster ARD-Talkshowmaster kehrt Sandra Maischberger aus der Sommerpause zurück. Und fragt nach Sex, Anstand, Moral und so weiter.

Stuttgart - Manchmal, in den Sommermonaten, stellt man sich ja ein großes ARD-Feriencamp vor. Sagen wir am Lago Maggiore. Da machen dann all die Talkshowgäste gemeinsam Urlaub. Karl Lagerfeld schlürft mit Philipp Rösler einen Caipirinha, Alice Schwarzer empfiehlt Peer Steinbrück ein gutes Buch und Sido erklärt Trigema-Chef Wolfgang Grupp, warum er auch in Zukunft nur in Deutschland produzieren wird. Ende August kehren sie dann alle zurück und warten auf ihren Einsatz bei Maischberger, Beckmann, Will, Plasberg oder demnächst auch bei Jauch. Die ARD kann jetzt echt jeden, der was zu sagen hat - oder zumindest viel redet - gebrauchen. Den Anfang machte am Dienstagabend Sandra Maischberger. "Sexualmoral 2011: Kein Anstand, kein Tabu?", fragte sie in die Runde. Leichtes Thema zum Anfang, klar. Und schon lief die Gesprächssimulationsmaschine, als wäre sie nie ausgeschaltet gewesen.

 

Das heißt: Charlotte Roche lief ein bisschen unrund. Dabei hatte man den ganzen Sextalk doch überhaupt an ihrem neuen Buch "Schoßgebete" und selbstverständlich an den immer noch präsenten "Feuchtgebieten" aufhängen wollen. Aber dann das: "Mich kotzt die Übersexualisierung auch an", sagt die 33-Jährige. Und dann auch noch: "Ich schreibe diese Bücher ja, weil ich Scham habe." Ja, wie jetzt? Roche soll doch mindestens mitverantwortlich dafür sein, dass angeblich jetzt alle immer, beim Einkaufen, Kaffeetrinken, vielleicht sogar bei der Arbeit, schamlos über Sex reden. Aber dann bekommt sie doch noch die Kurve: "Mich interessiert das, wo es riecht und dampft". Wenn man leise war, konnte man Regie und Gastgeberin aufatmen hören.

Bilder einer Ehe

Aber in Talkshows wie dieser ist es ja nie leise. Weil hier ja jeder was sagen soll. Wenn schon nicht zu Anstand und Tabu, dann doch zumindest zum Buch von Charlotte Roche. Intellektuelle Allzweckwaffe Hellmuth Karasek sieht darin vor allem die Ironie, Jutta Ditfurth (Ex-Grüne und Soziologin) ist traurig über Bilder einer Ehe aus den 50er Jahren, Talkshowmoderatorin Bettina Böttinger ist empört über die detaillierten Sexdienstleistungen der Protagonistin und die Ärztin Esther Schoonbrood ruft aufgeregt: "Borderline!". Für den 26-jährigen Tobias-Benjamin Ottmar muss es erst einmal genügen, dass er "überzeugter Christ" und gegen Sex vor der Ehe ist.

Und so geht es in den ersten 30 von 75 Minuten eigentlich nur ums Buch. Obwohl es doch eigentlich ums große und ganze Thema Sex und Anstand gehen soll. "So!" ruft dann ab und zu Sandra Maischberger. Was wohl dazu führen soll, das Gespräch in eine andere Richtung lenken zu können. Aber das gelingt nur ganz selten.

Strauss-Kahn und GNTM

Dabei hatte die Redaktion doch fleißig während der Sommermonate, als alle anderen im Urlaub waren, Beispiele für so genannte Sexaffären gesammelt. Dominique Strauss-Kahn etwa. Oder Christian von Boetticher. Mit gewissem Abstand könnte es ja auch durchaus interessant sein, mal darüber zu reden, was da eigentlich passiert ist. Ditfurth und Karasek setzen dazu auch an. Halb soziologisch, halb feuilletonistisch. Doch das versandet. Und mit den Aspekten des Themas geht es drunter und drüber wie in einem Swingerclub. Was bedeutet Ehe im Jahr 2011? Gibt es noch Feminismus? Sind wir aufgeklärter und freier als noch vor 60 Jahren oder schon wieder nicht mehr? Ist unsere Jugend sexuell desorientiert? Nichts Genaues weiß man nicht.

Aufklärung schaffen da auch nicht die Einspielfilme. "Würden Sie mit ihrem Mann (ihrer Frau) ins Bordell gehen?" wurden da allen ernstes Menschen im Einkaufszentrum gefragt. Ernsthafte Antworten konnte man da ja wohl nicht ernsthaft erwarten. Und am anderen Ende der Skala geht es um prüde Jugendliche und ihr Gegenteil, lobt Roche unverkrampfte Sexualerziehung und schimpft Schoonbrood auf das Internet und "Germany's Next Topmodel".

Trotzdem. Irgendwie gut zu wissen, dass sie alle wieder da sind. Weiter geht es am Mittwoch mit Anne Will.