Die ARD zeigt in diesem und im nächsten Jahr wieder Livebilder von der Tour de France. Damit ist Doping-Sendepause beendet. Der Tour-Veranstalter und die deutschen Teams sind erleichtert.

Chef vom Dienst: Tobias Schall (tos)

Stuttgart - Der Kampf um Hotelzimmer wird wohl wieder etwas härter. Geradezu paradiesisch waren die Zustände in den vergangenen Jahren bei der Tour de France, bei der einwohnermäßig gesehen eine Kleinstadt Tag für Tag neue Unterkünfte suchen muss. In diesem Sommer kommt nun ein großer Tross zurück, der, was die traditionell angespannte Bettensituation für die Tourbegleiter entspannt hatte, seit 2012 nur noch mit einem Miniteam präsent war: die ARD.

 

Die öffentlich-rechtliche Anstalt hat am Mittwoch wie erwartet offiziell bekannt gegeben, dass sie in diesem Sommer wieder in die Liveberichterstattung der Tour de France einsteigen wird. 2012 waren ARD und ZDF (das weiterhin nicht überträgt) nach zahlreichen Dopingskandalen (und sinkenden Quoten) ausgestiegen, Livebilder gab es seitdem nur noch bei Eurosport. Was für Hotelsuchende unerfreulich sein mag, ist grundsätzlich für den deutschen Radsport ein bedeutendes Zeichen: Der Umgang mit dem einstigen Schmuddelkind des Spitzensports normalisiert sich weiter.

Der Radsport in Deutschland? War unterm Rad, sozusagen. Nun ist er wieder im Sattel mit einem strategisch wichtigen Partner. Das liegt vor allem an den Erfolgen der neuen Generation mit Marcel Kittel, John Degenkolb, André Greipel und Tony Martin, die sich öffentlich glaubwürdig für einen sauberen Radsport einsetzen – und die in den vergangenen Jahren 18 Etappen gewonnen haben. Erfolg macht sexy.

Der journalistische Sündenfall

Die Tour-de-France-Berichterstattung in den großen Zeiten des Jan Ullrich gilt als journalistischer Sündenfall. Die ARD trat im Radsport nicht nur als Berichterstatter auf, sondern war Teil des Systems. Die öffentlich-rechtliche Anstalt war von 1998 bis 2004 Sponsor des Teams Telekom, Jan Ullrich besaß gar einen Exklusivvertrag mit dem Sender. Für kritische Distanz war kein Platz. „Neben den sportlichen Inhalten bleibt ein zentraler Punkt die Beobachtung der sportpolitischen Hintergründe und des Antidopingkampfes der Verantwortlichen sowie der Aktiven“, sagt der Programmdirektor Volker Herres. Die ARD zahlt angeblich fünf Millionen Euro für den Zweijahresvertrag, eine Dopingklausel, die im heutigen Sport längst Standard ist, inklusive.

Eingefleischte Radsportfans wird der Entscheid der ARD wenig tangieren. Schon in der Endphase, als ARD und ZDF noch Livebilder zeigten, aber den Fokus stark auf das Thema Doping legten, waren die Fans scharenweise zu Eurosport abgewandert. Der Sender mit seinen fachkundigen Kommentatoren sparte und spart das D-Wort nicht vollkommen aus, aber der Schwerpunkt war und ist der Sport auf der Straße – was viele Radsportzuschauer goutieren.

Die deutschen Teams freuen sich

Für Sponsoren ist die ARD dagegen ein wichtiges Argument, weil die öffentlich-rechtliche Plattform schlicht viel größer ist. „Für unser Team hat der Wiedereinstieg der ARD eine ganz besondere Wirkung“, sagt Ralph Denk, Teamchef des deutschen Rennstalls Bora, der 2014 NetApp-Endura hieß. Auch in Berlin, wo sich am Mittwoch die deutsch-niederländische Equipe Giant-Alpecin von Marcel Kittel und John Degenkolb präsentierte, war die Reaktion ähnlich. Deutschland ist ein Kernmarkt Europas für die Radsportindustrie, weswegen sich auch der Tour-Veranstalter Aso per Pressemitteilung „hocherfreut“ zeigte.

Im Radsport wurde immer wieder darauf verwiesen, dass keine Sportart so viel kontrolliere (was stimmt) und man Vorreiter und Vorbild im Antidopingkampf sei. Tatsächlich gilt das Antidopingsystem als ungleich besser als jenes in anderen Problemsportarten, etwa der verseuchten Leichtathletik. Es gibt auch Indizien für eine neue Sauberkeit im Peloton, selbst einige Kritiker attestieren teils menschlichere Leistungen, aber die Hand mag niemand dafür ins Feuer legen. Dass der Radsport noch immer toxisch ist, haben zuletzt die Vorgänge um das Team Astana gezeigt, das wie ein Echo aus angeblich vergangenen Tagen klingt. Dazu kommen laufende Ermittlungen um den Dopingarzt Ferrari, die ein weiteres Beben auslösen könnten.

Jedenfalls: die ARD ist zurück im Sattel. Und sie sendet auf Bewährung.