Mit dem Wechsel des beliebten Moderators ist dem Ersten ein spektakulärer Einkauf geglückt. Man scheint unkomplizierter geworden zu sein.

Kultur: Tim Schleider (schl)
München - Die ARD hat gerade einen guten Zug: Völlig überraschend für die Öffentlichkeit verkündeten der ARD-Vorsitzende Peter Boudgoust und der Programmchef Volker Herres gestern den Wechsel von Günter Jauch ins Erste. Überraschend war die Nachricht allein deswegen, weil Jauch bereits vom Herbst an jenen prominenten Sendeplatz bekommen wird, für den er schon 2007 heftig im Gespräch war, um dann aber doch ARD-internen Querelen und Intrigen zum Opfer zu fallen: der Sonntagabend, viertel vor zehn, gleich nach dem "Tatort".

Es ist noch keine drei Jahre her, dass NDR und WDR um die Nachfolge für Sabine Christiansen ringen mussten, die aus privaten Gründen zunächst einmal Abschied aus dem Fernsehgeschäft nehmen wollte. Damals zeigte Jauch großes Interesse an dem prominenten Sendeplatz. Doch gab es vor allem beim WDR Widerstand gegen Jauchs Einzug ins Öffentlich-Rechtliche, da dieser in erster Linie durch sein jahrelanges Engagement beim ebenfalls in Köln residierenden RTL zum beliebtesten und angesehensten TV-Journalisten Deutschlands geworden war. Unter dem Vorwand, die Seriosität des Programms stehe auf dem Spiel, versuchten die Gremien Jauch derart weitgehende inhaltliche Beschränkungen aufzuerlegen, dass dieser entnervt das Handtuch warf. "Für die ARD-Politfarbenlehre bin ich wohl ungeeignet", meinte er damals.

Ein kleines Stück Fernsehgeschichte schrieben der WDR und Jauch dann immerhin in der Abschiedssendung für Sabine Christiansen am 24. Juni 2007. Als Überraschung für die Moderatorin gab es eine Liveeinspielung aus der Kabarett-Imbissbude von Dittsche, also von Olli Dittrich. Und wer klopfte da plötzlich von außen an die Glastür und drückte sich die Nase platt, weil er unbedingt noch rein wollte? Günter Jauch. Worauf der Imbissbudenbesitzer Ingo rief: "Nix da. Für dich ist geschlossen." So viel Selbstironie hätte man zuvor vielleicht Günter Jauch, aber ganz sicher nicht der ARD zugetraut.

Jauch wird vom üblichen Polittalkritual abweichen


Statt Jauch kam Anne Will auf den Sonntagstermin. Aber Anne Will muss nach drei mäßig erfolgreichen Jahren nun schon wieder gehen; wohin, ist noch offen. Wie genau Günter Jauchs ARD-Sendung aussehen wird, ist auch noch offen. "Wir arbeiten am Konzept." Sicher ist: es wird um Politik gehen und es wird Gäste geben. Doch womöglich wird Jauch vom üblichen Polittalkritual à la Will, Beckmann und Plasberger in Zukunft stärker abweichen.

Der 54-jährige Jauch begann seine Karriere einst gemeinsam mit Thomas Gottschalk im Radioprogramm des Bayerischen Rundfunks. Seit 1985 war er auch im Fernsehen aktiv; 1988 moderierte er sein erstes "Aktuelles Sportstudio" im ZDF. 1989 unterschrieb er einen Vertrag mit RTL. Seit mehr als zwanzig Jahren präsentiert er dort mittwochs sein "Stern TV". Berühmt wurde er aber nicht nur durch seinen lockeren und dennoch hochseriösen Stil, sondern vor allem durch seine Improvisationsgabe bei Pannen. Ob sich bei Fußballspielen der Anpfiff verzögerte, weil das Tor umgefallen war, oder beim Skispringen Sturmböen Unterbrechungen auslösten, Jauch vermochte durch geniale Showeinlagen, die aber niemals die Grenze zum Peinlichen überschritten, alle Pausen zum Event zu machen. Dank solcher Einlagen zählt auch die Quizreihe "Wer wird Millionär" seit elf Jahren zu den TV-Quotenhits.

Die Leitung von "Stern TV" will Jauch nun abgeben, mit Unterhaltungsshows will er aber bei RTL präsent bleiben. Ein Doppelleben, auf das sich die ARD ja schon spektakulär erfolgreich im Falle Stefan Raabs eingelassen hat. Man scheint im Ersten unkomplizierter geworden zu sein.