Ein am Bahnhof gelegenes Areal in der Wilhelmstraße ist an die freikirchliche Gemeinde Treffpunkt Leben verkauft worden. Die christliche Gemeinschaft wird dann erstmals nicht mehr dezentral im Ort verteilt sein. Die Stadt verfolgt die Veränderung an einer zentralen Stelle der Stadtentwicklung durchaus positiv – und dürfte sich in einer anderen Diskussion bestätigt sehen.

Was ist wichtiger: Ein großes Grundstück nahe des modernen Bahnhofs in eben diesem städtisch anmutenden Stil neu zu bebauen – oder den Bestand zu belassen in der Gewissheit, dass das für die Innenstadtentwicklung wichtige Areal durch Menschen allen Alters belebt wird? Der Gemeinderat Ditzingen hat sich für Letzteres entschieden – und auf sein Vorkaufsrecht für das ehemalige Postgebäude verzichtet. Gekauft hat es Treffpunkt Leben. Die Freikirche aus Ditzingen hat das Gebäude für rund 2,1 Millionen Euro erworben.

 

„Die Nutzung stellt, allein aufgrund der Frequentierung durch die unterschiedlichen Besucher, ein belebendes Element dar“, argumentierte die Stadt gegenüber dem Gemeinderat. Es entspreche damit den Zielen der Stadtentwicklung an dieser Stelle, „auch wenn die städtebaulich-architektonische Komponente nicht ganz die Zielvorstellung erfüllt“. Das Areal liegt, am Verbindungsweg von Bahnhof und Zentrum, in einem Sanierungsgebiet. Daher war der Stadt gesetzlich ein Vorkaufsrecht eingeräumt worden.

Treffpunkt Leben lehnte Bauplatz im Gewerbegebiet ab

Die Ditzinger Freikirche will das ehemalige Postareal nun mit Leben füllen. Seit Jahrzehnten sucht die christliche Gemeinschaft nach eigenen Angaben einen Ort für all ihre Gruppen, ein Gemeindezentrum auch, das groß genug ist, um miteinander sonntags Gottesdienst zu feiern. Kornelije Casni gehört der Gemeinde seit 22 Jahren an und ist inzwischen Mitglied der Gemeindeleitung. „Seit dieser Zeit suchen wir aktiv und sind dafür in Vorbereitung.“ Pläne wurden gemacht, Geld angespart.

Nachdem die Gläubigen für ihre angestammten Räume in der Kernstadt die Eigenbedarfskündigung erhalten hatten, nahmen sie auch mit der Stadt Kontakt auf, sagt Casni. Auch jenen Bauplatz im Gewerbegebiet hätten sie angeschaut, auf dem nun eine Moschee entstehen wird. „Die Fläche kam für uns nicht in Frage“, sagt Casni. Einerseits wäre sie für die Bedürfnisse von Treffpunkt Leben zu klein gewesen, andererseits hätten die finanziellen Mittel nicht gereicht, um die erforderlichen Zahl an Stellplätzen unterirdisch anzulegen.

Casni bekräftigt damit die Aussagen der Stadt in der kontroversen, gleichwohl inzwischen beendeten Diskussion um den Bau einer Moschee im Gewerbegebiet. Gegner der Gebetsstätte hatten argumentiert, dass auch andere religiöse Gruppen im Ort – namentlich Treffpunkt Leben – Platznot hätten und auf der Suche nach adäquaten Räumen seien. Die Verwaltungsspitze erwiderte darauf wiederholt, das Grundstück auch Treffpunkt Leben angeboten zu haben, dass die freikirchliche Gemeinde aber abgelehnt hätte. Der Gemeinderat beschloss den Verkauf des Fläche an die türkisch-muslimische Gemeinde, seit Jahresbeginn war das Baurechtsamt am Zug.

Die als Verein organisierten Gläubigen von Treffpunkt Leben sind Mitglied im Bund freikirchlicher Pfingstgemeinden. Zugleich sind sie Mitglied der Evangelischen Allianz Ditzingen, dem Verbund von Christusgläubigen verschiedener christlicher Kirchen und Gruppen. Die Gemeinschaft hat laut Kornelije Casni rund 150 Aktive aus dem Landkreis – vorwiegend aber aus Ditzingen und Umgebung. Derzeit ist die Glaubensgemeinschaft auf zwei Standorte innerhalb Ditzingens verteilt. Weil diese jedoch nicht barrierefrei seien, gebe es derzeit keine Angebote für Senioren.

Gemeinschaft hat rund 150 Aktive aus dem Landkreis

Auch die sonntäglichen Gottesdienste sind laut Casni dort nicht möglich. Lange hatten die Gläubigen deshalb in der Korntaler Stadthalle Gottesdienst gefeiert. Nach der Pandemie entfiel diese Möglichkeit, da viele Veranstaltungen nachgeholt wurden, die Halle also belegt war. Die Ditzinger boten daraufhin ihre Stadthalle an. Aber „das hat nicht geklappt“, sagt Casni. Einerseits lag es auch dort an der Terminfindung, andererseits wäre der Aufwand nicht leistbar gewesen. Laut Casni hätte – anders als in Korntal – in Ditzingen keine Technik zur Verfügung gestanden. In der Regel feiern ihm zufolge 120 bis 170 Gläubige Gottesdienst.

Die Gläubigen haben bereits begonnen, das mehrgeschossige Gebäude umzubauen. Im Obergeschoss soll Platz für die Kinder- und Jugendgruppen sein. Für die Barrierefreiheit ist der Einbau eines Aufzugs geplant. Im Erdgeschoss ist ein großer Raum für Gottesdienste geplant. „Im Januar 2025 wollen wir dort unseren ersten Gottesdienst feiern“, sagt Casni. Zudem soll ein Multifunktionsraum eingerichtet werden. Dieser könnte laut Casni auch örtlichen Vereinen überlassen werden, die dort mehr Platz als bisher hätten. „Er wäre für Vereinssitzungen nutzbar“, meint Casni. Er bekräftigt damit das Angebot von einem offenen Haus, das nach Angaben der Stadt in Vorgesprächen thematisiert worden war. „Wir würden es begrüßen, wenn Vereine dort Räumlichkeiten hätten“, sagt Rathaussprecher Michael Geyer.

Gebäude soll einen Aufzug erhalten

Tatsächlich ist die Raumnot in der Stadt groß, seit das Haus der Vereine, der Fuchsbau unweit des Bahnhofs, weitgehend gesperrt wurde. Er genügte den aktuellen Brandschutzbestimmungen nicht mehr.