Wenn jemand etwas über ehrenamtliche Flüchtlingshilfe zu erzählen weiß, dann die Sillenbucherin Ariane Müller-Ressing. Sie ist eine gefragte Beraterin. Im Interview erklärt sie, was sich in den vergangenen Jahrzehnten verändert hat.

Klima & Nachhaltigkeit: Judith A. Sägesser (ana)

Sillenbuch - Das Ehrenamt ist längst ein Vollzeitjob für Ariane Müller-Ressing. Mit ihrer Erfahrung aus 30 Jahren berät sie neue Flüchtlingsfreundeskreise. Im Interview erzählt die Leiterin des AK Flüchtlinge Heumaden-Sillenbuch, was sich verändert hat.

 
Frau Müller-Ressing, was ist in der Flüchtlingshilfe heute anders als früher?
Vieles. Die Menschen, die heute zu uns kommen, kommen aus anderen Kulturkreisen, sie sprechen viel mehr unterschiedliche Sprachen, sind seltener im beschützenden Familienverband. Und man kann sich leider nicht mehr langfristig um einzelne Flüchtlinge kümmern, weil die Fluktuation höher und die Verweildauer kürzer ist, obgleich wir uns ja Letzteres immer gewünscht haben. Auffällig im Vergleich zu früher ist auch, dass die Menschen ganz anders traumatisiert sind, es sind viel mehr persönlich betroffen von Gewalt. Menschen, die zum Beispiel vor Boko Haram in Nigeria geflohen sind, sind unglaublich belastet. Hinzu kommt, dass die Erlebnisse auf der Flucht, die teils jahrelang dauert, dramatischer sind. Viele Flüchtlinge wurden zu Einzelkämpfern. Sie haben gelernt, dass es gilt, alles zu verteidigen, ein Gemeinsinn ist eher weniger vorhanden.
Sie sind eine gefragte Beraterin, wenn ein Flüchtlingsheim aufgemacht wird. Mit welchen Fragen werden Sie konfrontiert?
Dabei gibt es zweierlei zu unterscheiden. Zum einen Veranstaltungen, bei denen Nachbarn informiert werden. Da geht es vor allem um Ängste. Die Anwohner sorgen sich vor Belästigungen. Da kann ich dann immer vieles aus Sillenbuch erzählen, denn diese Ängste gab es bei uns damals ja auch. Aber ich kann sagen, dass wir gut nebeneinander leben. Die andere Art von Veranstaltung ist, wenn sich ein Freundeskreis gründet; das sind dann ja Menschen, die bereit sind, zu helfen. Die Fragen betreffen hier eher die Art und Notwendigkeiten der Betreuung von Flüchtlingen und die Organisation der ehrenamtlichen Arbeit.
Kommen Sie bei all den Beratungen selbst überhaupt noch zur Flüchtlingshilfe?
Ich bin jeden Tag im Flüchtlingsheim und führe Gespräche mit Ehrenamtlichen und Flüchtlingen. Das bleibt auch. Was ich aber nicht mehr mache, sind zum Beispiel Hausaufgabenhilfe oder Begleitungen zu Ämtern, das geht nicht mehr zusätzlich.
Das Gespräch führte Judith A. Sägesser.