Stuttgart - Alles andere wäre einer Palastrevolution gleichgekommen: Die Spitzengremien der CDU haben ihrem Vorsitzenden Armin Laschet den Rücken gestärkt bei seinem Bemühen, Kanzlerkandidat der Union zu werden. Jedes andere Votum wäre den meisten Christdemokraten wie eine Selbstentleibung erschienen. Und dennoch könnte es just darauf hinauslaufen – wenn er die in ihn gesetzten Hoffnungen nicht erfüllt.
Es war der am ehesten erwartbare Erfolg in Laschets kurzer Karriere als CDU-Chef, aber nicht zwangsläufig der nachhaltigste. Sein Konkurrent Markus Söder, dem es in der (allerdings kleineren) CSU auch nicht an Rückhalt mangelt, ziert sich noch, wird den Preis für einen Verzicht hochtreiben und darauf spekulieren, dass ein letzter Trumpf sticht: Grummeln an der Basis, Unmut unter Abgeordneten. Doch wenn Söder Wort hält, wird es wohl so kommen: Die Union startet mit einem schwierigen Kandidaten in einen ohnehin schwierigen Wahlkampf.
Laschet wäre vielleicht der bessere Kanzler . . .
Laschet war gar keine andere Wahl geblieben, als Angela Merkels Erbe im Kanzleramt anzustreben. Wie hätte er sich an der Spitze der Partei behaupten wollen, wenn er vor dieser unausweichlichen Herausforderung kapituliert? Ein Verzicht hätte seine Autorität beschädigt und auch die heimische Macht als Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen untergraben.
Laschets Kür zum Kanzlerkandidaten kommt spät. Sie verträgt keinen weiteren Aufschub, erfolgt aber trotz allem zur Unzeit: die Umfragewerte der Union stürzen in den Keller, und auch mit seinem eigenen Ansehen ist es nicht zum Besten bestellt. Der neue CDU-Chef wäre vielleicht der bessere Kanzler – sofern sich dieses Ziel nicht als Seifenblase erweist. Er ist ein Mann der Mitte, ein Teamplayer und Integrator: Eigenschaften, auf die eine Volkspartei angewiesen ist, die sich in der Mitte der Gesellschaft behaupten möchte.
. . . aber Söder der bessere Kandidat
Söder hingegen wäre wahrscheinlich der aussichtsreichere Kandidat (gewesen) – der mit dem höheren Wählerpotenzial. Dafür sprechen alle Umfragen. Sein im Verlauf der Pandemie erworbener Ruf als Krisenmanager und zupackender Macher ist dem Renommee Laschets in solchen staatsmännischen Disziplinen überlegen. Umfragen sind aber nur Momentaufnahmen. Wenn es allein nach den Umfragen ginge, könnte Olaf Scholz als Kanzlerkandidat der SPD gleich abdanken.
Im Falle von Laschets Kandidatur könnte die fatale Logik unserer Parteiendemokratie der Union zum Verhängnis werden: Letztlich entscheidet die größere der beiden C-Schwestern, wer für sie ins Rennen gehen soll – von historischen Ausnahmen abgesehen, die mit den Namen Strauß und Stoiber verbunden sind. Solche Entscheidungen folgen einer Parteiräson, die nicht zwangsläufig den Erwartungen der Wähler entspricht. Doch am Ende hängt es von ihnen ab, wer Kanzler wird.
Für die Union steht alles auf dem Spiel: die Macht und ihre Einigkeit
Laschet bleibt wenig Zeit, um auch nur einen größeren Teil der potenziellen CDU-Anhänger von sich zu überzeugen. Er muss sich neben einer Kanzlerin profilieren, die sich zuletzt geringschätzig über sein Handeln geäußert hat, die zudem auf die Befindlichkeiten der eigenen Partei nicht immer Rücksicht nimmt.
Die Innenarchitektur der Union würde in Schieflage geraten, wenn Söder sich durchgesetzt hätte. Sie steht nun ohnehin vor einer Belastungsprobe. Alles hängt davon ab, wie sehr es dem Bayern gelingt, die eigenen Ambitionen in Loyalität umzuwandeln. Sie wäre aber vollends vom Einsturz bedroht, wenn Laschet nun auf den Schild gehoben wird, aber die Grünen die Wahl gewinnen, die christlich etikettierten Parteien sich gar in die Opposition verbannt sähen – und ein solcher Misserfolg den zweifelhaften Qualitäten oder der mangelnden Überzeugungskraft des Spitzenkandidaten anzulasten wäre.