Auch in Baden-Württemberg sind Familien dauerhaft von Armut bedroht. Größere Familien sind dabei stärker gefährdet als Alleinerziehende.
Stuttgart - Familien mit drei und mehr Kindern haben in Baden-Württemberg das höchste Armutsrisiko. Sie sind nach dem neuen Bericht des Statistischen Landesamts stärker gefährdet als Alleinerziehende. Im Schnitt ist jede siebte Familie von Armut bedroht (15 Prozent), bei Personen ohne Kinder sind es zwölf Prozent.
Absolute Armut gebe es hierzulande jedoch nicht, betont Carmina Brenner, die Präsidentin des Statistischen Landesamtes. Zwei Drittel der Familien waren im Untersuchungszeitraum von 2006 bis 2010 nie armutsgefährdet. Auch liegt die Grenze in Baden-Württemberg höher als etwa in östlichen Bundesländern. Als armutsgefährdet gilt, wer über weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens im Land verfügt. Dann sei die gesellschaftliche Teilhabe eingeschränkt. In Baden-Württemberg liegt diese Grenze derzeit bei 895 Euro Netto für einen Einpersonenhaushalt. Zwei Erwachsene mit zwei Kindern unter 14 Jahren sollten über mehr als 1880 Euro verfügen und Alleinerziehende mit einem Kind über mehr als 1163 Euro.
Mehrere Kinder - hohe Gefährdung
Die Langzeitbeobachtung des Statistischen Landesamtes ergab, dass zwölf Prozent der Paare mit ein oder zwei Kindern dauerhaft armutsgefährdet waren, bei den Alleinerziehenden waren es 18 Prozent und bei den Familien mit drei und mehr Kindern fast jeder Dritte. Von Familien mit Migrationshintergrund waren neun Prozent dauerhaft von Armut bedroht, Haushalte ohne Kinder tragen ein dauerhaftes Armutsrisiko von vier Prozent.
Bei den Familien steigt die Armutsgefährdung mit dem Alter der Kinder. Sie ist am größten, wenn das älteste Kind zwischen zehn und 17 Jahre alt ist. Später sinkt sie der Statistik zufolge wieder. Erwartungsgemäß steigt das Armutsrisiko nach einer Trennung oder wenn ein Familienmitglied nicht mehr erwerbstätig ist. Auch die Geburt eines Kindes könne eine Ursache sein, sagte Brenner.
Maßnahmenpaket gegen die Armut
Die Armut nachhaltig zu bekämpfen, hat sich Sozialministerin Katrin Altpeter (SPD) auf die Fahnen geschrieben. Dazu sei ein Bündel an Maßnahmen notwendig. Ganz oben steht für Altpeter, dass die Eltern Arbeit haben. Qualifizierung, Kinderbetreuung, Zugang zu Bildung und Mindestlohn nennt sie als weitere Faktoren. Die Landesregierung sieht Altpeter dabei auf dem richtigen Weg. Schon ehe die Statistiker nun den ersten Bericht dieser Art vorgelegt haben, habe die Koalition den Pakt zur Betreuung von Kleinkindern mit den Kommunen geschlossen. Auch das Konzept „gute und sichere Arbeit“ bilde eine Grundlage zur Armutsbekämpfung. Es umfasst zum Beispiel die Förderung von Teilzeitausbildungen für alleinerziehende Frauen. „Der Armutsreport ist eine Bestätigung dafür, dass unser neuer Kurs in der Arbeitsmarktpolitik richtig ist“, sagte Altpeter.
Dennoch wird ein Beirat eingerichtet, der am ersten Armuts- und Reichtumsbericht für das Land mitarbeiten soll. Die grün-rote Koalition hat sich auf eine regelmäßige Armuts- und Reichtumsberichterstattung verpflichtet. Damit werde eine alte Forderung von Kirchen und Sozialverbänden erfüllt, lobt die Diakonie Württemberg.
Die stellvertretende DGB-Landesvorsitzende Marion von Wartenberg warnte, es dürfe nicht dabei bleiben, dass jede dritte Alleinerziehende dauerhaft oder wiederkehrend armutsgefährdet sei. Zur Armutsbekämpfung brauche es eine verlässliche Kinderbetreuung, Qualifizierung und bessere Arbeitsmarktchancen für Frauen.