Lokales: Mathias Bury (ury)
Das Problem ist schon heute größer als die Zahlen dies nahelegen. Viele Ältere beantragen aus Scham keine Hilfen.
Das ist nach wie vor so. Ich kann die Menschen nur ermuntern, ihnen zustehende Leistungen auch in Anspruch zu nehmen.
Welchen Stellenwert hat das Thema Altersarmut in der Sozialpolitik der Stadt?
Was die finanzielle Armut angeht, sind unsere Handlungsmöglichkeiten überschaubar. Da kann man nur ein wenig ausgleichen, was schief gegangen ist. Die größte Herausforderung ist zu verhindern, dass die Menschen vereinsamen.
Was tut die Stadt?
Mit unserer Bonuscard sind wir bundesweit gut aufgestellt. Und wir beteiligen uns jetzt am Wettbewerb „Quartier 2020“ des Landes. Dabei geht es darum, wie ich ein Stadtquartier organisiere, dass gerade auch ärmere Menschen am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Wir wollen das exemplarisch in Wangen zeigen. Man wird zum Beispiel überlegen, wie man Alteneinrichtungen öffnet. Nehmen wir das Beispiel Kindergeburtstag: Kinder leiden sehr, wenn sie dazu eingeladen werden, selbst aber keine Feier ausrichten können, weil Geld und Platz fehlen. Das müssen wir ausgleichen durch geförderte Begegnungsmöglichkeiten.
So was macht man schon, etwa mit den Generationenhäusern. Was ist neu?
Neu ist, dass es eine aufsuchende Arbeit sein wird. Wir haben versprochen, dass uns niemand durchs Netz geht. Das Jobcenter wird zum Beispiel versuchen, Menschen in Wangen, die im Leistungsbezug sind, als Alltagshelfer zu gewinnen. So sollen Netzwerke geknüpft werden, dass ein stärkerer Gemeinschaftssinn entsteht.
Wie erreicht man überhaupt Ältere, die keine Hilfen beantragt haben?
Durch Ansprache, indem man sie aufsucht. Das ist deshalb so wichtig, weil Menschen, auch wenn sie wenig Geld haben, oft ganz zufrieden sind, wenn sie sich aufgehoben und beheimatet fühlen, weil sich jemand um sie kümmert.
An Migranten kommt man bekanntlich noch schlechter heran.
Ich habe die Meinung nie geteilt, dass man an Migranten nicht rankommt. Wir wissen, dass wir über Multiplikatoren in den Quartieren die Leute ganz gut erreichen. Es gibt Leute, die sich gut auskennen und die Muttersprache der Betroffenen sprechen. Aber natürlich sind in den Generationen- und Bürgerhäusern Migranten noch zu wenig vertreten.
Bei dieser Arbeit sind Ehrenamtliche wichtig. Gibt es genügend Helfer auch in dem Bereich, nicht nur in der Flüchtlingshilfe?
Das Gute in unserer Stadt ist: Es gibt ein soziales Ethos, dass – wo Not erkannt wird – es auch Hilfsbereitschaft gibt. Deshalb ist es wichtig, dass man auch das Engagement gegen das Ausgegrenztsein von bedürftigen Menschen als gemeinsame Aufgabe begreift. Wir haben hier bisher zu wenig geworben für ein solches Engagement. Auch das ist ein Teil des neuen Projekts in Wangen: Wir müssen neue Angebote für engagierte Menschen machen.
Eben ging es um Migranten, die stark von Altersarmut betroffen sind. Sind die Flüchtlinge von heute die Armen von morgen?
Die Mehrzahl der Flüchtlinge gehört zu den eher gering Qualifizierten. Wie die früheren Gastarbeiter werden sie eher zu den Geringverdienern gehören. Wir haben allerdings die Chance, dem entgegenzuwirken, indem wir aus den Fehlern der Vergangenheit Konsequenzen ziehen und die Flüchtlinge schnellstmöglich unsere Sprache lernen. Dies ermöglicht eine erfolgreiche Teilhabe am Arbeitsmarkt.