Ein peinliches Video, das im Internet aufgetaucht ist, fördert Zweifel, ob Arnaud Lagardère als Chef des EADS-Verwaltungsrats geeignet ist.

Korrespondenten: Stefan Brändle (brä)

Brüssel - Wie die Manager und Ingenieure des Luftfahrts- und Rüstungskonzern EADS auf das dreiminütige Video reagierten, lässt sich nur erahnen. Vielleicht hüstelten sie betreten, als sie zusehen mussten, wie sich ihr zukünftiger Verwaltungsratspräsident mit einem Topmodel in allen Lebenslagen räkelt und im Chor mit ihr flüstert: "Wir kennen keine Grenzen." Zu sehen ist auf dem Video Arnaud Lagardère, Vorsteher des französische Medien- und Industriekonzerns gleichen Namens und nebenbei Großaktionär des Airbus-Mutterhauses EADS.

 

Der 50-jährige, aber sehr jugendlich wirkende Firmenerbe zeigt sich bei der Fotosession der Brüsseler Zeitung "Le Soir" mit seiner neuesten Begleiterin Jade Foret, einem Topmodel, das 30 Jahre jünger und 20 Zentimeter größer ist als Lagardère. 870.000-mal wurde das Video im Internet bereits angeklickt. Sein Inhalt ist so peinlich, dass Jade Foret zu Wochenbeginn ein Dementi nachschicken musste: Das Ganze sei bloßer Spaß und nicht zur Veröffentlichung bestimmt gewesen. "Wir mussten selbst lachen, wie lächerlich wir aussehen", fügte die Belgierin an.

Die nachgereichte Erklärung erfolgte womöglich zu spät. In Frankreich lachen längst nicht alle über die neuste Selbstdarstellung Lagardères. "Wenn man Aktionär einer für Europa so wichtigen Firma ist, ist es schlechthin bestürzend, sich so zur Schau zu stellen", sagte ein Airbus-Angestellter in Toulouse, der es vorzieht, anonym zu bleiben. Pariser Zeitungen fragen entgeistert, ob Arnaud Lagardère sein Unternehmen "überhaupt noch leitet" und ob da "noch ein Pilot im Cockpit" sitzt.

Scharfe Kritik übt diese Woche auch die Wirtschaftszeitung "La Tribune" in einem Beitrag mit dem Titel "Am Hof von König Arnaud". In seinem Mischkonzern mit 28.000 Angestellten und acht Milliarden Euro Umsatz habe der Sohn von Firmengründer Jean-Luc Lagardère nur noch Augen für die relativ kleine Sport- und Eventabteilung; für seine großen Zeitschriften wie "Paris Match", Radiostationen wie Europe 1 oder Buchverlage wie Hachette interessiere er sich hingegen kaum mehr, für seine EADS-Beteiligung gar nicht.

Für viele Franzosen hat das Video das Fass zum Überlaufen gebracht. Bisher hatten sich Pariser Medien gegenüber Lagardère schon aus nationalem Interesse zurückgehalten: Sein Unternehmen besitzt 7,5 Prozent der Anteile an der EADS und ist damit das zweite französischen Standbein neben dem Staat, der 15 Prozent der Anteile hält. Damit verfügt Frankreich bei der EADS mit 22,5 Prozent über gleich viel Gewicht wie die deutschen Aktionäre wie Daimler.

Lagardères Anteil hat historische wie strategische Bedeutung: Er sichert seit Jahrzehnten das deutsch-französische Gleichgewicht bei Airbus, aber auch beim Bau europäischer Hubschrauber, Satelliten oder Raketen. Im Unterschied zu seinem Vater begeisterte sich Arnaud Lagardère aber nie für diesen Industriezweig. Wahrscheinlich ist es nur seinem persönlichen Freund Nicolas Sarkozy zu verdanken, dass er nicht ganz ausgestiegen ist. Dies würde die EADS in größere Turbulenzen stürzen, zumal auf deutscher Seite auch Daimler wenig Interesse an der Flugzeug- und Rüstungssparte zeigt.

Neuerdings will sich Arnaud Lagardère aber doch wieder bei EADS einbringen - und zwar gleich als Chef des Verwaltungsrats. Der deutsch-französische Aktionärspakt räumt ihm diese Möglichkeit ab 2012 ein, wenn Daimler-Finanzchef Bodo Uebber diesen Posten aufgibt. "La Tribune" macht als Grund für Lagardères Kehrtwende puren Stolz aus: Er wolle allen zeigen, dass er die französische, heute europäische Luftfahrt und Rüstung genauso erfolgreich wie sein Vater führen kann. München, Paris und Madrid bevorzugten hingegen Lagardères Finanzvorstand Dominique D'Hinnin, der schon heute im EADS-Verwaltungsrat sitzt und nicht wie sein Vorgesetzter die meisten Sitzungen schwänzt.

Wie es bei der EADS weitergehen soll

Vorstand: Weil der Vertrag von Vorstandschef Louis Gallois Ende 2012 ausläuft, wird eine regelrechte Kettenreaktion in Gang kommen. Klar ist, dass der Deutsche Tom Enders, bisher Chef der EADS-Tochter Airbus, Nachfolger des bereits 67-jährigen Franzosen wird, der dann in Ruhestand geht.

Airbus: Favorit für die Enders-Nachfolge ist der Franzose Fabrice Brégier, der bis jetzt als Chief Operating Officer für das Tagesgeschäft verantwortlich ist. Brégiers Nachfolge wiederum dürfte der Deutsche Günter Butschek antreten, der seit Jahresbeginn Airbus- Produktionsvorstand ist.

Verwaltungsrat: Die EADS- Logik gebietet es , dass einem deutschen Chef ein französischer Verwaltungsratspräsident zur Seite steht. Das wird wohl Arnaud Lagardère sein. Der bisherige Amtsinhaber, Daimler-Finanzchef Bodo Uebber, sozusagen der Partner von Gallois, tritt dann ab.