Bis zur WM 2010 ist Arne Friedrich deutscher Fußball-Nationalspieler gewesen und wechselte zum Ausklang der Karriere in die USA. Der 35-Jährige ist also ein Experte für das deutsch-amerikanische Duell.

Santo André – - Bis zur WM 2010 ist Arne Friedrich deutscher Fußball-Nationalspieler gewesen und wechselte zum Ausklang der Karriere in die USA zu Chicago Fire. Der 35-Jährige, der in Brasilien als Experte für das chinesische Fernsehen arbeitet, kennt sich also in beiden Ländern aus und sagt: „Im Fitnessbereich haben die Amerikaner uns etwas voraus.“
Herr Friedrich, wie sehr überrascht es Sie, dass die Amerikaner so forsch auftreten?
Dass sie so stark auftreten, hätte ich nicht gedacht. Gerade in Manaus, unter wirklich härtesten klimatischen Bedingungen, waren sie vor allem physisch überragend. Da kann ich nur den Hut ziehen. Es wird sehr schwer für die Deutschen, die Amerikaner zu schlagen.
Was macht die USA so gefährlich?
Das Team hat einen guten Mix aus Europa-Legionären und Profis aus der amerikanischen Liga. Es gibt einige erfahrene Spieler wie Clint Demspey und Michael Bradley. Und es gibt viele Talente. Und natürlich haben die Amerikaner von jeher einen unheimlich guten Spirit. Sie geben sich nie geschlagen, sie sind körperlich ganz stark, und sie können 90 Minuten Vollgas geben.
Wo kommt das her, diese gute Physis?
Zum einen wird in der MLS taktisch gesehen noch immer Hau-Ruck-Fußball gespielt. Das heißt: wenn man den Ball gewinnt, geht es sofort nur nach vorne, und wenn man ihn verliert, ab nach hinten. Da ist nichts mit Ballverschleppen wie in der Bundesliga. Deshalb sind auch alle so fit. Andererseits sind die Amerikaner, was das Fitnesstraining betrifft, weltweit führend. In diesem Bereich haben sie uns noch immer viel voraus.
Und spielerisch?
Da kann die MLS mit den großen europäischen Ligen noch nicht mithalten. Aber sie ist auch keine Kneipenliga. Inzwischen wird auch dort ein sehr guter Ball gespielt, weil immer mehr Talente nach oben kommen.
Welchen Anteil am Aufschwung hat der US-Coach Jürgen Klinsmann?
Einen großen. Die WM-Qualifikation war ein Meilenstein. Ich war dann überrascht, dass er auf Landon Donovan verzichtet hat, und dachte: es ist ja Wahnsinn, den berühmtesten Spieler zu Hause zu lassen.
So etwas kennt man ja von Jürgen Klinsmann.
Stimmt. Da ist er wieder einmal ein großes Risiko eingegangen, so wie damals bei der WM 2006. Aber das zeigt auch wieder einmal, dass er an seinen Überzeugungen festhält, auch wenn es Widerstände gibt. Inzwischen sind alle begeistert von seiner Arbeit.
Wie bewerten Sie die Entwicklung von Joachim Löw?
Er ist jemand, der immer lernen möchte. Er hat sich in allen Bereichen weiterentwickelt. Früher hat Jürgen Klinsmann die Reden gehalten, heute ist es Joachim Löw. Er kann sich unheimlich gut artikulieren. Und er weiß genau, wann er die Zügel anziehen muss. Das war ein Prozess. Wie Klinsmann ist auch er ein Glücksfall für den deutschen Fußball. Er ist mittlerweile einer der besten Trainer der Welt.
Bei der letzten WM waren Sie noch dabei, jetzt stehen Sie auf der anderen Seite. Wie eng ist noch ihr Kontakt zur Mannschaft?
Ich fühle mich immer sehr integriert. Das Nationalteam ist wie eine große Familie, die viel Spaß hat. Dazu gehört leider auch, dass mich Lukas Podolski und Bastian Schweinsteiger nach einem Interview ins Meer geschmissen haben.