Die Offenheit der russischen Regierung gegenüber Andersdenkenden ist nur eine scheinbare. Wer sich Schwachstellen erlaubt, wie der Oppositionelle Alexej Nawalny, wird sofort bestraft. Das zeigt aber auch, dass dieser den Nerv trifft, meint Matthias Schiermeyer.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Die russische Staatsgewalt reagiert blitzschnell. Wenige Stunden nach seiner Verhaftung wurde der Kremlkritiker Alexej Nawalny in Moskau zu 30 Tagen Haft verurteilt, weil er wiederholt gegen das Versammlungsrecht verstoßen haben soll. Dass Menschenrechte in Russland kleingehalten werden, ist bekannt. Allerdings muss sich Nawalny auch Fehler ankreiden lassen. Tatsächlich hatte er wieder einmal an einem anderen Ort zum Protest aufgerufen, als dieser genehmigt worden war. Insofern hat er den Bogen überspannt. Derlei Schwachstellen laden dazu ein, Verantwortliche aus dem Verkehr zu ziehen.

 

Kampf gegen die Korruption

Diese Reaktion zeigt auch: Nawalny hat einen Schlüssel gefunden, um trotz drohender Verhaftungen (die ja dann auch stattgefunden haben) Zehntausende im gesamten Land auf die Straße zu bringen: Sein Thema ist die Korruption der Eliten – ein zentraler Aufreger in der russischen Bevölkerung angesichts der wirtschaftlichen Nöte und Treibstoff gerade für den Widerstand junger Menschen. Diese sind gar nicht mal treue Nawalny-Anhänger, sorgen sich aber patriotisch um ihr Land. Der Regimekritiker spricht sie geschickt über die sozialen Netzwerke an, nachdem sie vor der Propaganda in den staatlich kontrollierten Medien geflohen sind. Dennoch ist es praktisch ausgeschlossen, dass Nawalny darauf eine wachsende Protestbewegung aufbauen kann. Dazu müsste er auch deutlich machen, wie er dies erreichen will. Und Präsident Wladimir Putin hat offensichtlich ein waches Auge darauf, dass er dabei nicht zu weit geht.