Das Motto heißt in diesem Jahr „Sehen und Sammeln“. Und die Art Karlsruhe wächst – eine Weltmesse wird sie aber nie werden.

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Karlsruhe - Was haben die Kollegen gelacht, als vor neun Jahren die Art Karlsruhe an den Start ging. Von Provinz wurde da geredet und Mittelmaß – und das Scheitern schien programmiert. Am Mittwoch ist die Karlsruher Messe nun schon zum neunten Mal an den Start gegangen – aber die Reaktionen erinnern noch immer an die ersten Jahre: Die Art Karlsruhe steigere ihr Niveau sukzessive, meinen die einen. Die Art Karlsruhe ist so schlecht wie eh und je, es gebe nichts zu entdecken, die anderen.

 

Die Wahrheit liegt dazwischen. Denn klar ist: Karlsruhe ist nicht Basel – und will es auch gar nicht sein. Das diesjährige Motto „Sehen und Sammeln“ mag naiv anmuten, birgt aber subversives Potenzial und kann als Seitenhieb auf all jene Sammler verstanden werden, die vor allem mit den Ohren kaufen – eben das, was als angesagt gilt. Wer Neo Rauch und Daniel Richter, Sarah Morris, Damien Hirst und Olafur Eliasson sehen will, kann sich den Weg nach Karlsruhe sparen.

Aber offensichtlich setzen nicht alle Kunstfreunde nur auf große Namen. Bis Sonntag rechnet man bei der Art Karlsruhe mit immerhin 45 000 Besucherinnen und Besuchern. Schon bei der Preview war es rappelvoll – wobei die Stuttgarter Galerie Abtart eindeutig die meisten Schaulustigen anzog. Der Künstler Boris Petrovsky hat 520 japanische Goldkatzen auf einer Tribüne aufgereiht. Sie winken synchron, La-Ola-Wellen gehen durch die Reihen der Kitschkatzen, aber die Besucher können auch Botschaften einspeisen, die die Katzen mit ihren winkenden Pfötchen sichtbar machen. Ein unterhaltsames Spektakel, ein käufliches auch – 225 000 Euro kostet die „Army of luck“.

Galerien können ihr Programm nicht ständig neu erfinden

Die gegenständliche Kunst hat bei der Art Karlsruhe Hochkonjunktur. Hier weht ein Hauch von gefährlichem Sex. Urs Marty fotografiert verschnürte Leiber. Mandy Seifert und Charles Rump fotografieren dagegen Frauen in entwürdigenden Szenen, zum Beispiel nackt auf dem Küchenboden beim Einsammeln von Kippen – von Hand. Lutz Wagner hat aus Draht harmlose Figürchen gebogen, die fliegen, hocken, springen, gleiten – und große Schatten an die Wand werfen. Grausig sind dagegen die Holzskulpturen von Martin Krammer. Bei der Galerie Raab gibt es zu 4000 Euro ein hölzernes Kind, das Eichhörnchen füttert, doch die gierigen Tierchen haben dem Kind bereits grausig das kleine Gesicht weggefressen.

Manches ist unterhaltsam, einiges sehenswert, aber nach neun Jahren hat sich doch etwas Routine eingeschlichen, auch wenn wieder Tausende Tulpen frisch und frühlingshaft in den Gängen und Hallen blühen. An dem künstlerischen Leiter Ewald Karl Schrade liegt es nicht, er schafft stets Neuerungen. Diesmal präsentiert die Waldenbucher Sammlerin Marli Hoppe-Ritter eine kleine, feine Auswahl ihrer musealen Kollektion rund ums Quadrat. Auch die Pop-Art-Sammlung von Gunter Sachs ist zu sehen – und die Häufung lasziver Akte sowie die halbnackten Frauen auf Knien, die Allen Jones zu Tisch und Stuhl degradierte, lassen die Pathologie des bekennenden Schwerenöters Sachs ahnen.

Aber die Galerien selbst können sich und ihr Programm eben nicht ständig neu erfinden. So hat man vieles schon in den Vorjahren gesehen, seien es die Fadenbilder von Monika Thiele bei Supper oder die Stahl-Stein-Skulpturen von Madeleine Dietz, welche die Galerien Nothelfer und Harthan großzügig präsentieren. Auch Andy Warhol ist ein Dauergast, fast an jeder zweiten Ecke finden sich seine Drucke.

Es ist ein Auf und Ab

Nach drei Jahren hat der Berliner Senat planmäßig die Förderung des Berliner Blocks eingestellt, einige der jungen Berliner Galerien kommen jetzt auf eigene Faust. In der DM-Arena werden nun unter der Überschrift „Neue Positionen“ junge Künstlerinnen und Künstler gezeigt. Aber nicht alles, was jung ist, ist auch innovativ, manches muss noch reifen. Tanja Selzer scheint Fotografien abzumalen – aber ob es die Frau mit Schlangen um den Hals ist oder der böse blickende Kojote, die Bilder sind gebremst und kontrolliert und mit 5800 beziehungsweise 4600 Euro überteuert. Spannender sind da die in Landschaft eingebetteten Architekturen von Donata Benker, einer jungen Künstlerin aus Nürnberg, die verschiedene Räume und Bildebenen raffiniert ineinander montiert.

Ohnehin sind die interessantesten Ansätze in der Malerei derzeit jene, die die eindeutige Position des Betrachters aufheben und scheinbar unvereinbare Bildräume öffnen. Patricia Lambertus bietet ineinandergreifende Motive an – Schloss- und Parkanlagen, Vorhänge, Dekore und Mauerwerk – als Fototapeten für zwanzig bis fünfzig Euro den Quadratmeter. Bei den fotografierten Interieurs von Dirk Brömmel verschwinden dagegen einzelne Bildelemente – und bleibt nur die Ahnung eines Tisches oder eines Stuhls zurück.

Es ist ein Auf und Ab, Hochpreisiges hängt neben günstigem Kunstgewerbe, Nachwuchskunst neben arrivierter Klassischer Moderne. Das Gros der Galerien aus Baden-Württemberg unterstützt die Art Karlsruhe in jedem Fall, auch die wichtigen Museen des Landes sind vertreten. Von den 222 Galerien kommen nur dreißig aus dem Ausland. Aber obwohl die Art Karlsruhe dezidiert keine Messe von Weltformat ist, scheint sie sich als Handelsplatz zu lohnen. Zumindest konnte die Galerie Schlichtenmaier schon nach einem Tag stolz verkünden, bereits Werke zu 600 000 Euro verkauft zu haben.