Sperriges und Ambitioniertes? Eher harmlose Arbeiten dominieren die Schau.

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Stuttgart - Fast hätte man es für eine Performance gehalten, für eine köstliche Parodie auf einen Philosophen am Rednerpult. Er spricht über die „mittlere Zone des Seienden“ und den „Möglichkeitssinn“, über „die Herme“ und eine „Ästhetik der Fluoreszenz“. Schwer verständlich murmelt der gute Mann in seinen Bart und schaut nicht ein einziges Mal zu seinem Publikum. Die perfekte Parodie auf einen weltentrückten Denker. Doch zur Eröffnung der Art Karlsruhe war nicht etwa ein Kabarettist geladen worden, sondern der berühmteste Philosoph, den Karlsruhe zu bieten hat: Peter Sloterdijk. Statt geistreicher Seitenblicke auf den Kunstmarkt servierte Sloterdijk einen verquasten Philosophieexkurs und verpatzte der Messe gründlich den Auftakt.

 

Denn eigentlich ist es genau das, was die Art Karlsruhe nicht sein will: elitär, abgehoben und ignorant. „Mensch. Markt. Kunst.“ lautet im Gegenteil der Titel der diesjährigen Messe, auf der bis zum Wochenende mehr als 200 Galerien ihre Werke feilbieten. Die Messechefin Britta Wirtz spricht gern von Willkommenskultur und will Hemmschwellen bewusst niedrig halten. In der Tat hat die Karlsruher Messe einen hervorragenden Ruf, sowohl Publikum als auch Händler gut zu behandeln – im exklusiven Kunstbetrieb keineswegs selbstverständlich. Deshalb rechnet man auch bis Sonntag mit 50 000 Besuchern.

Seit 13 Jahren gibt es die Art Karlsruhe nun, die in den ersten Jahren als Provinzmesse verspottet wurde. Auch in diesem Jahr sieht man, wie schwer es ist, die Balance zu finden zwischen erschwinglicher Kunst für eine breite Klientel und Einsteiger – und hoher Qualität. Die Berliner Galeristin Anna Jill Lüpertz, die Tochter des Malers Markus Lüpertz, war im vergangenen Jahr so unzufrieden, dass sie nicht mehr in Karlsruhe ausstellen wollte – worauf Ewald Karl Schrade sie kurzerhand in den Beirat holte und sie nun zähneknirschend wieder vor Ort ist. Der künstlerische Kopf der Messe versucht mit vielen Tricks und Taktiken, die Art Karlsruhe attraktiv zu halten – und hat diesmal die Messmer Foundation aus Riegel am Kaiserstuhl und das Kirchner Museum aus Davos zu Sonderschauen eingeladen.

Von Basel und Miami nach Karlsruhe

Zum ersten Mal konnte man auch eine Galerie gewinnen, die zu den interessantesten gehört: Meyer Riegger. Die Karlsruher Galerie hat nicht nur eine Dependance in Berlin, sondern ist auf allen drei Messen der Art Basel vertreten, in Basel, Miami und Hongkong. Dass man nun erstmals bei der Art Karlsruhe ist, war „eine Entscheidung für die Heimat“, sagt Jochen Meyer, „denn Regionales hat eine stärkere Entwicklung genommen“. Er hat Künstler mitgebracht, die einen Bezug zur Region haben – wie den Karlsruhe Professor Franz Ackermann, dessen neues Gemälde „My House“ für 125 000 Euro zu haben ist.

Die Klassische Moderne bleibt ein wichtiges Standbein der Art Karlsruhe – und selbstverständlich sind Schlichtenmaier, Henze & Ketterer oder Ludorff wieder als verlässliches Rückgrat vor Ort. Aber das Hauptgewicht liegt deutlich auf der Gegenwartskunst. Selbst wenn fast ein Viertel der Händler aus dem Ausland kommt, ist die Region stark vertreten – bei den Galerien wie auch den Künstlern, etwa der Stuttgarter Malerin Isa Dahl, dem Bildhauer Daniel Wagenblast oder Dora Várkonyi, deren lebensgroße Keramikfiguren das wohl beliebteste Fotomotiv der Messe sind. 18 900 Euro kostet das Stück.

Urban Hüter hat aus sogenannten Radhauskästen – Kunststoffteilen aus Autos – ein viereinhalb Meter großes Monster geschaffen, das AbtArt zu 23 000 Euro verkauft. Auch der Stuttgarter Galerist Marko Schacher hat sperrige Objekte dabei, die Hartmut Landauer aus Skistöcken, Gestängen von Kinderwagen oder alten DDR-Campinghockern baut und die wie dreidimensionale Zeichnungen in den Raum ragen. Leichter verkaufen sich in Karlsruhe aber Gemälde, zwei Architekturkompositionen von Johanna Jakowlev gingen bei Schacher bereits vor der offiziellen Eröffnung weg, je 3100 Euro.

Belanglose Gemälde

Trotzdem muss man auf der Art Karlsruhe suchen nach solch ambitionierten und schwierigeren Positionen. Stattdessen dominieren harmlose Arbeiten von mitunter lausiger Qualität – wie die Pin-ups, die Janos Schaab auf die Leinwand überträgt, oder die Objekte von Götz Bury aus verbogenem Besteck, die sich auch als Eierbecher nutzen lassen. „Hi Angie, I’m so sorry“, könnte Obama der Kanzlerin gesimst haben – und der Künstler Saxa arrangiert diese Handy-Korrespondenz so auf dem Papier, dass sich Angela Merkels Gesicht abzeichnet. 1800 Euro will die Kölner Galerie Luzia Sassen dafür haben. Sabine C. Herrschaft hat aus Zündkerzen eine Art Robe gebaut, Carolin Liebl verwendet dagegen bei ihren Objekten magnetische Spulen. Und allüberall stößt man auf belanglose Gemälde, für die Fotografien abgepinselt wurden von Menschen, die in Cafés sitzen, telefonieren oder am Strand baden.

„Jetzt ist das Interesse von den richtigen Galerien da“, frohlockt Ewald Karl Schrade – und doch zeigt die diesjährige Messe, dass es letztlich ein ewiger Balanceakt bleibt, jungen Künstlern und auch kleineren Galerien ein Forum zu bieten – und trotzdem Händler zu locken, deren Programm künstlerisch auf der Höhe der Zeit ist. Wobei auch das durchaus Ansichtssache sein kann. Als einer der Höhepunkte der Messe wird diesmal eine Installation von Paul Critchley gehandelt, der eine Wohnung nachgebaut hat. Besucher können Schranktüren oder Klappläden öffnen, um gemalte Kleidung oder den nackten Künstler unter der Dusche zu besichtigen. Für die einen ein kurzweiliges Vergnügen, für eine Messebesucherin dagegen ein Ärgernis, das sie trocken kommentierte: „Das erinnert mich an Zeiten, bei denen ich froh bin, dass sie vorbei sind.“