Mit dem großartigen Dreiteiler „Die Eroberung des Mondes“feiert Arte den ersten Schritt auf einen anderen Himmelskörper vor 50 Jahren. Die Apollo-Missionen werden als suspekter Teil des Kalten Krieges und als Heldenstück zugleich gezeigt.

Stuttgart - Als am 16. Juli drei US-Astronauten in die kleine Kapsel am Gipfel einer Saturn-V-Rakete auf dem Kennedy Space Center in Florida klettern, um die erste Mondlandung zu wagen, schaut die ganze Welt an den Fernsehapparaten zu. Auch Präsident Nixon sitzt im Weißen Haus in Washington vor dem Bildschirm und hat sich fachkundige Beratung geholt: den Astronauten Frank Borman, der unter anderem als Kommandant der Apollo-8-Mission die erste bemannte Mondumrundung geleitet hatte. Borman hat tatsächlich einen Rat für den Präsidenten parat: „Überlegen Sie sich, was Sie den Witwen sagen wollen.“

 

Das ist nicht der einzige Hinweis auf die haarsträubenden Risiken des Wettlaufs im All in Robert Stones Dreiteiler „Die Eroberung des Mondes“, mit dem Arte am Dienstag, Mittwoch und Donnerstag das 50-jährige Jubiläum der ersten Mondlandung feiert. In der Prestige- und Technologieschlacht der Supermächte USA und UdSSR blieb keine Zeit für jahrelange Planspiele auf dem Papier, gefolgt von Jahren der Erprobung auf Testständen. Es kam beständig Technologie zum Einsatz, die sich erst noch beweisen musste – und mehr als einmal katastrophal versagte.

Die Sowjets liegen vorn

Der in England geborene Robert Stone, einer der großen Dokumentarfilmer des amerikanischen Fernsehens, beginnt mit dem Sputnik-Schock, der die USA im Kalten Krieg wie ein Überraschungsangriff erwischt: Die Sowjets schaffen es vor ihnen, den ersten Satelliten in eine Erdumlaufbahn zu bringen. Trotz hektischer Anstrengungen der Amerikaner, nach vorne zu kommen, punkten ihre Gegner nun ein ums andere mal. Das erste Tier in der Umlaufbahn, der erste Mensch im All, der erste Weltraumspaziergang. alle diese Coups gelingen unter Hammer und Sichel.

Stones Markenzeichen ist sein virtuoser Umgang mit Archivmaterial, und auch hier arbeitet er auf der Tonspur zwar mit teils neu geführten Interviews, auf der Bildebene aber nur mit Material von damals. Die dichte Montage zieht einen hinein in eine andere Epoche, sie lässt einen Hektik und Paranoia nachvollziehen. Weltraumtechnik war nicht nur Schaufenstermaterial im Propagandakrieg, sie wurde als militärisches Experimentierfeld begriffen. Die Kommentare zu den starken Bildern aber schaffen Distanz, rücken zurecht und ordnen ein.

Hilfe von Hitlers Raketenbauern

So vermittelt Stone den Heldenmythos der Astronautenelite ebenso wie die Kritik der Bürgerrechtsbewegung an der Geldverschwendung im All. Ohne Zorneseifer, aber mit sarkastisch ausgewählten Bildern legt Stone offen, wie willig die USA mit Hitlers ehemaligen Waffenbauern zusammenarbeiteten. Der Ex-SS-Mann Wernher von Braun wurde nicht einfach ein weiterer Helfer im Getriebe der Nasa, sondern ein führender Kopf des „Space Race“. Viele amerikanische Ingenieure zweifelten an der Umsetzbarkeit von John F. Kennedys Versprechen, vor Ende der Sechziger auf den Mond zu kommen. Von Braun peitschte sein Team voran.

Den Respekt vor den Astronauten des Gemini- und Apollo-Programms verringert das hier nicht. Szene um Szene wird klar, dass den Beteiligten das Scheitern jedes Starts eigentlich wahrscheinlicher scheinen musste als das Gelingen. Und während Wissenschaftler, Ingenieure und fürs Weltall umgeschulte Kampfpiloten in Amerikas Raumprogramm an etwas arbeiteten, das zu den großen Leistungen dieser Epoche gehörte, verpassten sie in ihrer Isolation den Rest dieser Zeit: auch etwas, das Stone schön herausarbeitet.

Ausstrahlung: Arte, 16-18. Juli 2019, jeweils 20.15 Uhr. Danach abrufbar in der Arte-Mediathek bis 13. September 2019.