Arte zeigt von diesem Donnerstag an „Die Erbschaft“ aus Dänemark. Die Reihe ist ein reflektiertes europäisches Gegenkonzept zu Action, Glamour und Exaltiertheit vieler amerikanischer Serien.

Stuttgart - Eigentlich liegt das Thema ja in der Luft. Nie zuvor wurden in dem Ausmaß Besitz und Vermögen an die jüngeren Generationen weitergegeben wie derzeit. Und nie zuvor gab es das Ausmaß an Ärger, wie es in vielen Fällen unter den Nachfahren ausbricht, wenn die Felle der Familie, erworben in den prosperierenden Wirtschaftswunderjahren, verteilt werden sollen. Um einen solchen Konflikt, überhöht durchgespielt auf dem Hintergrund einer wohlhabenden Bohème-Familie, geht es in der dänischen Serie „Die Erbschaft“, deren erste, zehnteilige Staffel Arte von diesem Donnerstage an jeweils von 20.15 Uhr an ausstrahlt. Die zentrale Figur, Veronika Gronnegaard, eine international berühmte Künstlerin und Mutter von zwei Töchtern und zwei Söhnen von drei verschiedenen Vätern, ändert nach einer längeren Krebserkrankung kurz vor ihrem Tod ihr Testament.

 

Nicht ihre drei bei ihr groß gewordenen, längst erwachsenen Kinder Gro, Frederik und Emil sollen das herrschaftliche Anwesen im Süden der Insel Fünen bekommen, auf dem sie lebt und arbeitet, sondern die jüngste, früh zur Adoption freigegebene Tochter Signe, die in kleinbürgerlichen Verhältnissen bei ihrem Vater aufwuchs. Nach der Beerdigung wird das neue Familienmitglied zunächst von Gro misstrauisch beäugt, von Frederik offen bekämpft und von Emil liebevoll aufgenommen, doch das ist nur der Anfang einer ständig sich wandelnden Geschichte voller wechselhaften Allianzen und gegenseitigem Verrat.

In Hassliebe verbunden

Sehr langsam breiten die Drehbuchautorin Maya Ilsoe und die schwedische Regisseurin Pernilla August in einem puzzleartigen Vorgehen dieses etwas andere Familiendrama vor dem Zuschauer aus. Bald werden die unterschiedlichen Interessen der Einzelnen deutlich, die Verletzungen, die sie innerhalb des chaotischen, an den Bedürfnissen der egozentrischen Mutter orientierten Clans erlitten haben, die vergangenen Ereignisse und schleichenden Entwicklungen, die sie jeweils unfähig gemacht haben, unter einem Schatten aus dem privilegierten Status etwas Eigenes zu schaffen. Die Kunstwissenschaftlerin Gro, ihrer Erzeugerin in Hassliebe verbunden, möchte auf Gronnegaard eine Stiftung für Veronikas Werk gründen, (es ist übrigens, mit ausladenden, körperlich wirkenden Objekten auf sehr subtile Weise an die Arbeiten der 2010 im Alter von 99 Jahren verstorbenen weiblichen Kunstikone Louise Bourgeois angelehnt).

Der Jurist Frederick, noch immer traumatisiert vom lange zurückliegenden Selbstmord seines Vaters, sieht sich als legitimer Nachfolger auf dessen Stammsitz. Und der nie wirklich erwachsen gewordene Emil braucht frisches Geld für die Hotelanlage, die er sich in Thailand mit der Unterstützung von zuhause aufbaut. Nur Signe, eine patente Floristin und Handballerin, scheint zunächst mehr vom Wunsch getrieben, endlich zu der glamourösen Sippe dazuzugehören, als von egoistischen Zielen. Aber auch das ändert sich schnell.

Erfolgreich wie „Borgen“ und „Kommissarin Lund“

Die durchaus vorhandene Spannung entsteht in der „Erbschaft“ anders als im aktuellen Fernseh-Mainstream, nicht durch Mord und Totschlag, sondern durch die zwar zugespitzte, aber durchaus realitätsnahe Feinanalyse menschlicher Grundprobleme und zeitgenössischer Gegebenheiten. Wie lässt sich die beim Tod der Eltern meist ausbrechende Konkurrenz unter Geschwistern einigermaßen zähmen? Wie hat sich die teilweise rücksichtslose Selbstverwirklichung von 68er-Eltern auf ihre Kinder ausgewirkt? Was bedeutet es, wenn der Patriarch eine Patriarchin war, und die sie umgebenden Männer unbedeutende Drohnen? Wie schon in der Politserie „Borgen“ und der Krimireihe „Kommissarin Lund“, beide überaus erfolgreich im In- und Ausland, setzt das Team vom öffentlich-rechtlichen Sender Danmarks Radio (DR) auch beim Erzählen dieser komplizierten Fragen und Beziehungskonstellationen darauf, ein reflektiertes europäisches Gegenkonzept zu Action, Glamour, Exaltiertheit vieler amerikanischer Serien anzubieten.

Ein Geheimnis des Erfolgs hat der leitende DR-Produzent Ingolf Gabold einmal so formuliert: Man müsse Drehbuchautoren und vor allem auch -autorinnen wie Könige behandeln, sie gut bezahlen und ihnen Zeit und Mitbestimmungsmöglichkeiten auch am Set geben. Dazu brauche es dann natürlich hervorragende Schauspieler und eine tolle Ausstattung. All das ist auch bei der „Erbschaft“ gegeben. Und noch ein darin umgesetztes Erfolgsrezept hat Gabold verraten: „Uns Skandinaviern ist es fremd, Frauen als Sklavinnen oder marienhafte Übermütter darzustellen.“

Arte, Donnerstag, Arte, 20.15