Kenneth Branaghs „Artemis Fowl“ bei Disney+ bietet eine wilde Karussellfahrt. Viele Kritiker mögen diese Kinderbuchverfilmung überhaupt nicht – aber da haben sie wohl etwas nicht verstanden.

Stuttgart - Früher schlichen 12-jährige Buben in Kinderfilmen noch in kurzen Hosen durchs Gebüsch hinter dem Dorfteich, hatten eine selbst gebastelte Zwille und ein paar Erbsen als Geschosse dabei, spielten Cowboy und Indianer, wussten wenig vom Erwachsenenleben und glaubten vielleicht sogar noch an Elfen und Kobolde. Heute sind 12-jährige Knaben nobelpreisreife Multigenies in Maßkleidung, die sich im Privathelikopter umherfliegen lassen, futuristische Superwaffen bedienen und ganz genau wissen, dass es Elfen und Kobolde gibt. Sie verhandeln und kämpfen sogar mit ihnen, um – drunter tun sie’s nicht – die Welt zu retten. Zumindest im garantiert ohne pädagogischen Lebertran angerichteten Kinderfilm „Artemis Fowl“, der beim Streamingdienst Disney+ gestartet ist.

 

Artemis Fowl ist der Sohn eines geheimnisvollen irischen Kunsthändlers (Colin Farrell). Der steinreiche Papa steht im Verdacht, an finsteren Geschäften beteiligt zu sein, auf jeden Fall befindet er sich derzeit im Verlies eines sehr finsteren Geschäftspartners. Unter Hochdruck sucht Artemis (Ferdia Shaw) in allen Ritzen, Winkeln und doppelten Böden des feudalen Familiensitzes nach dem Versteck jenes geheimnisvollen Apparats aus der fantasyüblichen Kategorie des Wundere-dich-über-nix-und-fürchte-Apokalyptisches, den sein Vater den Mächten des Bösen ausliefern soll.

Für die „Star Wars“-Ära

Regie bei „Artemis Fowl“ hat der etwas aus der Mode gekommene Ex-Shakespeare-Mime Kenneth Branagh geführt. Mit seiner actionprassenden Kindervariante eines Bond-Films zeigt er, dass er das Spektakelkino besser begreift als viele Kritiker. Die werfen „Artemis Fowl“, einem Film, der vertraute Bilder in wilde Bewegung setzt und ein Kind auf den Heldenthron hebt, reihum vor, er sei eher ein Karussell als eine Erzählung. Stimmt schon, aber genau das will er sein.

Wenn die Elfen in ihren Hightechkampfanzügen aus der Hohlerde heraufschwirren, wenn vor Energie fast platzende Maschinchen die Zeit anhalten, wenn ein übellauniger Troll die Inneneinrichtung von Fowls bürgerlichem Palast zu Klump haut, wäre das für einen Erwachsenenfilm vielleicht ein bisschen zu zappelig. Aber ein Kinderfilm für eine Generation, die schon viel zu früh alle „Star Wars“-Folgen aufgesaugt hat, macht so nichts falsch.

Cool oder fischig

Branagh wahrt in all dem Wirbel durchaus die Lust am Staunen. Er wird nicht zu zynisch, geht aber sparsam mit Emotionen um – und Artemis bleibt je nach Blickwinkel cool oder fischig. Nie regiert hier die Ausrede, Ausstattung und Bilder seien eh bloß Futter für den Tornado, das Team arbeitet sehr sorgfältig.

In der Vorlage des Autors Eoin Colfer, dessen „Artemis Fowl“-Reihe zu den großen Erfolgen des All-Ages-Trends gehörte, ist der Ton bissiger. Der Pimpf tritt da schon als abgebrühter Superkrimineller auf, der die Werte von Kinderbüchern auf den Kopf stellt. So weit geht der Film noch nicht. Er lässt am Ende aber Raum für weitere, frechere Entwicklungen.

Verfügbarkeit: beim Streamingdienst Disney+ im Rahmen des Abos abrufbar.