Das Mähgut einer Wiese kann für eine andere gespendet werden. Nicolas Ruoß vom Landratsamt Esslingen erklärt, wie das funktioniert und wozu es gut ist.

Leinfelden-Echterdingen - Der Landkreis Esslingen nimmt an einem Programm des Landwirtschaftsministeriums zur Stärkung der biologischen Vielfalt teil. Im Spenderflächenprojekt des Regierungspräsidiums Stuttgart wird zum Beispiel in Leinfelden-Echterdingen Mahdgut von Wiese zu Wiese transferiert. Der Kreisökologe Nicolas Ruoß erklärt, warum das wichtig ist.

 

Herr Ruoß, was ist Mahdgutübertragung?

Bei einer Mahdgutübertragung ist das Ziel, dass man Arten von besonders artenreichen Wiesen auf Flächen bekommt, die nicht artenreich sind. Die artenreiche Fläche wird abgemäht, und das Mähgut, das man dabei gewinnt, wird auf eine weniger artenreiche Fläche gebracht, die zuvor vorbereitet wird.

Von diesem Verfahren profitieren Wiesen auf den Fildern?

Unter anderem. Wir machen das im ganzen Landkreis Esslingen, aber wir bearbeiten derzeit schwerpunktmäßig Flächen, die innerhalb sogenannter FFH-Gebieten liegen, das sind Flora-Fauna-Habitatgebiete die zum europäischen Schutzgebietsnetz Natura 2000 gehören, und konzentrieren uns dort vor allem auf sogenannte Verlustflächen. Dort wurden Flächen von unabhängigen Gutachtern identifiziert, die sich im Lauf der Zeit in ihrem Erhaltungszustand verschlechtert haben, die also artenärmer geworden sind. Wir versuchen mit der Mähgutübertragung, diese Flächen wieder herzustellen.

Wo kommt das Mähgut her?

Wir versuchen, innerhalb des gleichen FFH-Gebietes artenreiche Flächen zu finden. Manche haben 45 oder mehr Pflanzenarten. Die regionale Identität der Flächen wollen wir dabei bewahren.

Warum machen Sie das eigentlich?

Der Landwirt, der sie bewirtschaftet, ist rechtlich dazu verpflichtet, Flächen, die nicht mehr nachweisbar als FFH-Mähwiesen erkennbar sind, wieder herzustellen. Häufig werden solche Flächen durch nicht angepasste Bewirtschaftung artenarm, zum Beispiel wenn sie zu intensiv bewirtschaftet oder zu viel gedüngt werden. Wir unterstützen damit sozusagen diesen Wiederherstellungsprozess.

Wie sehen diese artenarmen Flächen aus?

In der Regel sind das Wiesen, die zur Heugewinnung genutzt werden und zweimal pro Jahr gemäht werden. Häufig sehen wir da einen sehr vergrasten Bestand, oft mit einer Filzauflage, mit maximal 15 Arten. Damit nimmt auch der Insektenreichtum ab.

Was hat der Spender des Mahdgutes davon?

Wenn er es selbst als Futtermittel braucht, müssen wir uns eng abstimmen, ob er es sich leisten kann, wenn von seiner Fläche Mähgut entfällt. Wenn er darauf nicht zwingend angewiesen ist, gibt es in der Regel kein Problem. Der wirtschaftliche Ausfall wird ihm von uns erstattet.

Woher wissen Sie eigentlich, wo genau sich Spender- und Empfängerflächen befinden?

In den FFH-Gebieten fanden flächendeckende Kartierungen durch Fachgutachter statt. Im Glemswald und in der Stuttgarter Bucht war die Ersterfassung 2004, 2010 und 2017 gab es weitere Erhebungen. So konnten wir gute und schlechte Flächen identifizieren.

Wie kommt das abgemähte Mahdgut schließlich von einer Wiese zur anderen?

Auf der Spenderwiese wird das Mähgut abgemäht, auf einen Ladewagen geladen und dann per Traktor zur Empfängerfläche transportiert. Die größte Entfernung, die wir bisher hatten, waren etwa fünf Kilometer Luftlinie. Dort wird das Mähgut als Mulchschicht auf die vorbereitete Fläche aufgetragen und angewalzt. Dann können im Reifeprozess die Samen aus dem Mähgut ausfallen und laufen dann auf den Empfängerflächen wieder auf.

Genügt ein derartiger Umzug, oder muss man den Vorgang wiederholen?

Wenn alles perfekt funktioniert hat, genügt ein einmaliger Transfer. Witterungsbedingt war der Boden aber manchmal so hart, dass die Samen nicht auflaufen konnten. Dann muss man den Vorgang wiederholen.

Von wie vielen Wiesen reden wir hier eigentlich?

In Leinfelden-Echterdingen haben wir vier bis fünf Spenderflächen im Reichenbachtal und rund um das Naturschutzgebiet Musberger Eichberg. Daraus werden die Verlustflächen bedient. Wir haben auch Spenderflächen im Aichtal, die teilweise auf Gemarkung Aichtal und teilweise auf Gemarkung Filderstadt liegen. Ziel des Projektes ist, dass wir ein großes Kataster kriegen mit Spenderflächen, die wir zur Wiederherstellung oder auch zur Anreicherung von sonstigen Wiesen verwenden können.