Die Bahn will Tiere für Stuttgart 21 von Untertürkheim nach Zuffenhausen und Freiberg umsiedeln. Sie hat dabei eigene Flächen an bestehenden Bahnstrecken im Auge. Ob die ausreichend groß sind, ist aber ungewiss.

Stadtentwicklung/Infrastruktur : Christian Milankovic (mil)

Stuttgart - Neues Kapitel in der schier unendlichen Geschichte um Stuttgart 21 und geschützte Arten, die der Realisierung des Milliardenvorhabens im Weg sind: Auf der Suche nach neuen Quartieren für Eidechsen, die dem Bau des S-21-Abstellbahnhofs in Untertürkheim weichen müssen, versucht die Bahn nun ihr Glück im Stuttgarter Norden. Die rund 5500 Tiere, die auf den Bahnflächen im Neckartal vermutet werden, sollen auf Randflächen der sogenannten Schusterbahn in den Stadtteilen Freiberg und Zuffenhausen umziehen. Mit diesem Vorschlag geht die Bahn ins Genehmigungsverfahren, von dem sie hofft, dass es bis Mitte 2020 in einer Baugenehmigung mündet. Die ins Auge gefassten Flächen gehören der Bahn.

 

Umsiedlung nach Esslingen scheiterte an Behördenveto

In ihrem bislang letzten Anlauf hatte die Bahn angeregt, die Tiere über die Gemarkungsgrenze nach Esslingen zu schaffen. In den dortigen Weinbergen des Schenkenbergs sollten die Reptilien ein neues Zuhause finden. Bei einer Bürgerinformation im November 2016 hieß es in den gezeigten Bahnunterlagen „Für circa 5500 Eidechsen sind geeignete Ersatzflächen zur Verfügung zu stellen: Lösungsansatz Weinberge Esslingen“. Versehen war das Ganze mit einem dicken grünen Haken, der offenbar suggerieren sollte, dass die gewählte Lösung in Ordnung gehe. Doch die Behörden winkten ab. Sie hatten dort bereits ansässige Eidechsen ausgemacht. Weil aus Behördensicht die Gefahr bestand, dass die Neuankömmlinge der vorhandenen Population den Garaus machten, lehnten sie den Bahnvorschlag ab. Bei einer weiteren Veranstaltung für die Öffentlichkeit zeigte die Bahn die nahezu identische Folie Anfang April 2019. Nur dass es dieses Mal hinter dem Begriff Lösungsansatz hieß „Umsiedelung der Eidechsen auf bahneigene Flächen in Stuttgart-Rot und Freiberg“. Gleich blieb hingegen der dicke grüne Haken in der Präsentation. Ein Umzug der Tiere auf bahneigene Flächen hatten Naturschützer schon in der Vergangenheit gefordert. Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) etwa hatte bereits 2017 angeregt „benachbarte trockenwarme Bahnböschungsflächen als Ersatzlebensräume herzurichten“. Es sei schon seltsam, warum die Bahn auf ihren eigenen Grundstücken partout keine Ausgleichsmaßnahmen umsetzen will“, sagte damals der Stuttgarter BUND-Regionalgeschäftsführer Gerhard Pfeifer.

Umweltschützer plädierten schon früher für Bahnflächen

Die Bahn will sich nicht dem Vorwurf aussetzen, sie hätte schon früher auf die eigenen Flächen bei Freiberg und Zazenhausen kommen können. Man habe sich bisher „auf Umsiedlungsflächen von einer solchen Mindestgröße konzentriert, die die sichere Umsiedlung der gesamten Population ermöglicht hätten. Bei den nun beantragten Umsiedlungsflächen ist es von der Größe her nicht ausgeschlossen, dass die Landesumweltbehörden nur einer Teilumsiedlung der Untertürkheimer Population zustimmen werden“, teilt ein Projektsprecher auf Anfrage mit. Die nun ins Auge gefassten Areale seien vier bis fünf Hektar groß. Ehe dort Eidechsen einziehen können, müssten noch Stein- und Reisighaufen sowie Sandlinsen angelegt und die Vegetation auf den Böschungen zurückgeschnitten werden.

Es ist nicht das erste Mal, dass die Vorgaben des Artenschutzes die Bahn beim Bau von S 21 in die Bredouille bringen. Viel Kritik musste sich etwa gefallen lassen, weil sie eine Wiese am Rand der Feuerbacher Heide auf dem Killesberg mit allerlei grobem Schotter in eine für Eidechsen annehmbare Lebensumwelt verwandelte. Anwohner glauben, die meisten der dorthin gebrachten Tiere hätten längst das Weite gesucht.