Die Unternehmen der Chemie- und Pharmabranche befürchten steigenden Druck auf die Erträge. Deshalb sind sie auch mit Investitionen vorsichtig.

Wirtschaft: Ulrich Schreyer (ey)

Deutschland bleibt voraussichtlich noch lange von Medikamenten aus Asien abhängig. „Bis die nötigen Kapazitäten aufgebaut wären, würde es noch einige Jahre dauern“, sagte Martin Haag zu der auch von Politikern erhobenen Forderung, mehr Medikamente in Deutschland zu produzieren. „Aber wir müssen jetzt anfangen“, meinte der Vorsitzende des Verbandes der Chemischen Industrie in Baden-Württemberg.

 

Die Politik müsse dafür sorgen, dass die Vergütungen der Pharmafirmen höher würden, forderte Haag. Nur dann werde es in der überwiegend mittelständisch geprägten Branche zu den nötigen Investitionen kommen. Zu hohe Kosten und zu geringe Vergütungen in Deutschland seien dafür verantwortlich, dass Medikamente ganz überwiegend in Asien produziert würden. Eine Erhöhung der Vergütungen sei nicht unbedingt ganz allgemein, wohl aber für besonders wichtige Medikamente nötig. Nach den Worten von Haag machen Medikamente lediglich 15 Prozent der Kosten im Gesundheitswesen aus. Baden-Württemberg hat nach den Angaben des Verbandes einen Anteil von 40 Prozent an der deutschen Pharmaproduktion.

Gefahr der Abwanderung

Ohne bessere Rahmenbedingungen drohe die Gefahr, dass Chemie- und Pharmafirmen künftig noch mehr im Ausland produzieren würden. Dort sehe man auch die größten Chancen auf den Märkten, in Deutschland dagegen müssten die Unternehmen mit explodierenden Energiekosten und einem hohen bürokratischen Aufwand kämpfen. Wegen der gestiegenen Kosten für Energie und Rohstoffe rechnen 42 Prozent der Unternehmen im Südwesten im laufenden Jahr mit sinkenden Erträgen. Etwa 30 Prozent wollen ihre Investitionen steigern, ebenso viele wollen diese reduzieren. „Das ist ein Alarmzeichen“, sagte Haag. Die meisten Unternehmen rechnen für 2023 mit steigenden Umsätzen, wozu aber auch höhere Preise beitragen werden. Auch bei der Produktion werden Zuwächse erwartet. Differenziert ist das Bild bei den Beschäftigten: 27 Prozent wollen zusätzlich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einstellen, immerhin 20 Prozent aber wollen deren Zahl reduzieren. Insgesamt könne sich die Chemie- und Pharmabranche für 2023 auf ein schwaches Wachstum einstellen, heißt es beim Verband.

Größerer Beschäftigtenzuwachs im Pharmabereich

Im vergangenen Jahr war der Umsatz der Chemie-und Pharmabranche im Südwesten um zwei Prozent auf 26,2 Milliarden Euro gestiegen, die Zahl der Beschäftigten nahm um 2,4 Prozent auf knapp 62 000 zu. Nach den Angaben von Christjan Knudsen, dem stellvertretenden Vorsitzenden des Arbeitgeberverbandes Chemie Baden-Württemberg, wurden auch mehr Auszubildende eingestellt als ein Jahr zuvor. Die chemische Industrie (ohne Pharma) steigerte ihren Umsatz 2022 um zwei Prozent auf 19,3 Milliarden Euro, die Pharmaindustrie um ebenfalls zwei Prozent auf 6,9 Milliarden Euro. Deutlich unterschiedlich sah es bei den Beschäftigten aus. Im Chemiebereich stieg deren Zahl um weniger als ein Prozent auf 34 780, im Pharmabereich dagegen um um 4,5 Prozent auf rund 27 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.