Nachdem die Echterdinger Ärztin Susanne Eberwein ihre Röntgen-Praxis nach Bad Cannstatt verlegt hat, gibt es für Patienten auf den Fildern Engpässe und längere Wartezeiten.

Filder - Wer einen Termin beim Radiologen braucht, hat auf den Fildern wenig Auswahl. Die Strahlenexpertin Susanne Eberwein hat ihre Praxis an der Echterdinger Christophstraße zum Jahreswechsel nach Bad Cannstatt verlegt. Seitdem gibt es für die insgesamt circa 82 000 Einwohner der Städte Leinfelden-Echterdingen und Filderstadt nur noch eine nahegelegene Alternative: die Radiologische Praxis von Reiner Ohl in der Filderklinik in Bonlanden.

 

An der Anmeldung der Röntgenabteilung im ersten Stock des Krankenhauses herrscht Hochbetrieb. Seit die Echterdinger Kollegin nicht mehr zur Verfügung steht, hat sich die Zahl der Terminanfragen deutlich erhöht. Für den Mediziner ist das eine belastende Situation. „Wir haben nicht genug Kapazitäten, um alle Patienten zu versorgen“, sagt Reiner Ohl. Mittlerweile gebe es Wartelisten für Mammografien bis in den Mai. Vermehrt könnten neue Patienten nicht mehr angenommen werden. Notfälle und dringende Untersuchungen hätten jedoch weiterhin Vorrang.

Das Volumen ist gedeckelt

Der Radiologe hat bei den Behandlungszahlen nur wenig Spielraum nach oben. „Die Kapazität der Praxis ist von der Kassenärztlichen Vereinigung über das Regelleistungsvolumen gedeckelt,“ sagt er. Das heißt, ohne die Erlaubnis der KV, seine Tätigkeit auszuweiten oder die Genehmigung eines weiteren Arztsitzes wird sich nichts ändern.

Auch in den Praxen der niedergelassenen Ärzte ist der Wechsel von Susanne Eberwein ein Thema. „Es ist ausgesprochen schade, dass die Kollegin ums Eck nicht mehr da ist“, bedauert der Echterdinger Unfallchirurg und Orthopäde Wolfgang Miller. Er gehört zu jenen Fachärzten, deren Patienten besonders oft auf tiefere Einblicke in ihren Körper angewiesen sind. „Pro Tag gibt es im Schnitt zehn Fälle, für die wir weiterführende Untersuchungen in der Radiologie benötigen“, berichtet er. Computer- und Kernspintomografie seien als Diagnoseverfahren im medizinischen Alltag nicht mehr wegzudenken. „Da genügen ein komplizierter Handgelenksbruch oder eine schwere Knieverletzung“, sagt der Mediziner.

Einzelpraxis hat keine Chance mehr

Wolfgang Miller hat die vergebliche Suche von Susanne Eberwein nach einem Kooperationspartner für ihre Echterdinger Praxis mitverfolgt. „Die Kollegin hat sich einige Jahre bemüht, hatte aber keinen Erfolg“, berichtet er. Letztlich sei der Wechsel ins Radiologiezentrum Bad Cannstatt wohl darauf zurückzuführen. Miller, der dem Vorstand der Kreisärzteschaft angehört, weiß: „Man braucht heute größere Strukturen, um einen Standort halten zu können. Radiologien sind als Einzelpraxen mit den erforderlichen Großgeräten nicht mehr zu führen.“

Sein Bedauern teilt der Unfallchirurg mit seinen Patienten: „Sie müssen nun weitere Wege in Kauf nehmen.“ Er beobachtet aber auch: „Das große Jammern ist ausgeblieben.“ Vor allem die zahlreichen Praxen entlang der S-Bahnrouten nach Stuttgart hätten zahlreiche Patienten auffangen können. Und letztlich sei an den Fakten wohl kaum mehr zu rütteln. „Die Anforderungen der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) an das Verhältnis zwischen Mediziner und Patienten sind nach wie vor erfüllt“, betont Miller.

Keine wohnortnahe Versorgung

Deshalb hält er es für unwahrscheinlich, dass in absehbarer Zeit ein neuer Arztsitz für eine Radiologische Praxis auf den Fildern genehmigt wird. Miller geht davon aus, dass sich die Abläufe nach einer ersten Phase der Verwirrung wieder einspielen und den Patienten dadurch keine gravierenden Nachteile entstehen. Reiner Ohl sieht das nicht ganz so optimistisch: „Gerade für die älteren Patienten ist die wohnortnahe medizinische Versorgung von großer Bedeutung. Deshalb wäre ich sehr froh, wenn wir gemeinsam mit der KV eine Lösung finden könnten.“

So ist die radiologische Versorgung geregelt

Die Versorgungsregion
Die Ansiedlung der Ärzte unterliegt einem planwirtschaftlichen System, das von der Kassenärztlichen Vereinigung gesteuert wird. Dieses unterteilt das Land in Versorgungsregionen, in denen das Verhältnis zwischen einem Arzt und der Anzahl der von ihm zu betreuenden Einwohner vorgegeben ist. Bei den Radiologen gilt die Region Stuttgart als eine Versorgungseinheit.

Die Verhältniszahl
Wie viele Einwohner ein Radiologe betreuen muss, wird jedes halbe Jahr neu festgelegt. Die letzte sogenannte Verhältniszahl stammt vom 30. September 2013 und ordnet jedem Arzt 49 399 Einwohner zu. Dieser Wert entspricht einer 100-prozentigen Versorgung. In der Region Stuttgart praktizieren derzeit 74 Radiologen. Somit liegt der aktuelle Versorgungsgrad bei 137,9 Prozent.

Der Arztsitz
Sobald ein Versorgungsgrad von 110 Prozent erreicht ist, dürfen sich keine neuen Ärzte der gleichen Fachrichtung mehr niederlassen. Die Übernahme von bestehenden Praxen ist jedoch weiterhin möglich. Da die Echterdinger Fachärztin Susanne Eberwein ihren Arztsitz nach Bad Cannstatt verlegt hat, fällt er am alten Standort weg und es besteht auf absehbare Zeit keine Hoffnung auf Ersatz.