Der Wikileaks-Gründer Julian Assage ist in der Show „Anke hat Zeit“ mit Anke Engelke zu Gast gewesen. Das klingt schräg, passt aber wunderbar in die WDR-Sendung.

Stuttgart - Das Bild ist schräg. Wie immer hängt in Anke Engelkes WDR-Show „Anke hat Zeit“ entspannte Wohnzimmeratmosphäre zwischen dicken Sofas. Die Gäste, darunter der Schauspieler Bjarne Mädel, lümmeln gemütlich gepolstert vor sich hin, und mittendrin guckt Julian Assange aus der Röhre. Der Wikileaks-Gründer ist aus seinem Exil in der ekuadorianischen Botschaft in London zugeschaltet, wo er seit zwei Jahren festsitzt. Nun ist er in einem alten Fernsehkasten gefangen, unter einem alten plüschigen Lämpchen. Neben einer Topfpflanze und Anke Engelke erscheint er als „Talking Head“, als sprechender Kopf.

 

Allein diese Situation ist „strange“, wie Engelke selbst sagt. Aber wohin könnte das Schräge besser passen als in die sechste Ausgabe einer Sendung, die stets wie eine Wundertüte explodiert, leise und wie in Zeitlupe, aber immer Funken sprühend.

Da sitzt nun Julian Assange, der Mann gegen den in den USA wegen Spionage und in Schweden wegen des Verdachts der Vergewaltigung ermittelt wird, der Komikerin Engelke gegenüber. Und die zeigt mal wieder, was eine gute Gastgeberin ausmacht. Sie traut sich, vermeintlich profane Fragen zu stellen („Wie fühlen Sie sich?“), streut behutsam ihren Humor ein, wenn Assange mal wieder verbal ausschweift („Klappt nicht mit den kurzen Antworten“) und entlockt ihm, als sie ihn schlicht nach einem Wunsch fragt, am Ende noch die menschlichsten Worte: „Etwas anderes außer Freiheit oder der Fähigkeit, Weltfrieden zu schaffen?! Wir könnten jetzt Witze darüber machen. Aber im Ernst: Ich wäre gern wieder in der Lage, meine Familie und meine Kinder zu sehen. Das ist mein sehnlichster Wunsch.“

Assange darf minutenlange Monologe halten

Die Säulen aber, die die Sendung jedes mal aufs Neue weit aus dem Tal der Fernsehlandschaft ragen lassen, hat die begnadete Show-Aufbauerin Anke Engelke vor und nach Assanges letzte Antwort, aufgerichtet – in ihrer kindlich verspielten, frech-forschen, tiefgründigen und vor allen Dingen geduldigen Art.

Der rhetorisch galante Assange durfte minutenlange Monologe halten – „Wir haben Google, Facebook und die NSA. Diese drei Titanen werden von Ingenieuren gesteuert und übernehmen sukzessive die Welt. Tagtäglich gehen weitere 1,5 Millionen Geräte mit Google-Betriebssystem ans Netz, vor allem Android-Handys. Diese Geräte ermöglichen eine Massenüberwachung von eineinhalb Milliarden Menschen über das Internet“ – und während andere Moderatoren ihm ziemlich sicher hier schon früh ins Wort gefallen wären, kratzt sich Engelke zwischendurch nur kurz am Knie.

Weiter geht’s um „Supernerds“, denn als solchen bezeichnet die Theater-Regisseurin Angela Richter Assange. Sie hat schon mehrere Stücke über den australischen Whistleblower geschrieben und sitzt auch neben Engelke auf dem Sofa. Assange darf lang und breit erzählen. dass er als 16-Jähriger das Pentagon ausspioniert hat, „um die Welt zu entdecken“. Ob er heute etwas anders machen würde? „Sehr wenig“, sagt Assange. Aber das ist natürlich eine sehr gekürzte Version seiner wieder sehr, sehr langen Antwort.

Bevor dann der Schauspieler Stefan Kaminski, bekannt für seine aufwändigen Live-Hörspiele, einen Auszug aus seiner Adaption von Wagners „Ring des Nibelungen“ aufführen darf und damit auch kräftig Funken schlägt in Engelkes Wundertüte, kündigt die Gastgeberin noch die Sängerin Dobet Gnahoré an – mit einem Augenzwinkern und Assange im Rücken: Dobet Gnahoré mache „urban alternative music. . . ach, googlen Sie doch, was das heißt“.