Astrid Meyerfeldt, die in den „Szenen einer Ehe“ das Publikum begeistert, ist nun wieder im Stuttgarter Schauspielhaus zu sehen: Im „Besuch der alten Dame“ gehört ihr die Titelrolle.

Stuttgart - Seit dem Wochenende, an dem Armin Petras mit sechs Premieren seine Intendanz eröffnet hat, ist eines gewiss: Astrid Meyerfeldt hat das Stuttgarter Publikum bezaubert. Als Marianne wird sie in den „Szenen einer Ehe“ bestaunt, mit Zwischenapplaus gefeiert und schließlich stürmisch bejubelt. Aus einem Kammerspiel macht der Regisseur Jan Bosse einen magischen Abend voll wahnwitziger Aufrichtigkeit, über den sich Meyerfeldt selbst am meisten wundert: „Ich dachte, das gibt’s nicht. Unglaublich toll“, sagt sie und klatscht begeistert in die Hände. Der Jubel bei der Premiere habe sie zunächst sprachlos gemacht, dann aber habe sie sich einfach nur gefreut, nicht nur über die Inszenierung, sondern auch über das Glück, hier sein zu dürfen. Hier in Stuttgart, einer Stadt, die der zarten Schauspielerin nicht ganz fremd ist, schließlich hat sie im Schauspiel schon mehrfach gastiert, zuletzt unter der Regie von Thomas Dannemann.

 

Kennengelernt hat Meyerfeldt die Stadt dadurch noch nicht, das sei ja das Doofe am Gastieren. Trotzdem: seit die gebürtige Rostockerin nach fünf Jahren als freie Schauspielerin wieder einem Ensemble angehört, fühlt sie sich „wahnsinnig gut aufgehoben“. Heute nun übernimmt sie im Schauspielhaus die Rolle der Clara im „Besuch der alten Dame“ von Friedrich Dürrenmatt, einer Komödie, die der Intendant selbst inszeniert und aus Berlin nach Stuttgart mitgebracht hat. Inhaltlich wird sich seine freie Stoffbearbeitung mit der Wende von 1989 befassen, mit dem deutsch-deutschen Konflikt, den die Neu-Stuttgarterin selbst hautnah miterlebt hat. Und dank des „wundervollen Hauses“ hätten ihr die Proben für den Komödienklassiker großen Spaß gemacht.

Die Berliner Arroganz gegenüber Stuttgart teilt sie nicht. Im Gegenteil: Dieser Hochmut verweise auf die Ignoranz, die in der Hauptstadt grassiert. „Und das muss ich jetzt echt sagen: Ich bin überrascht von Stuttgart und seiner Umgebung, die so viel Freude macht“, sagt die Spielerin mit einem strahlenden Lachen, bevor sie sich über den Tisch beugt und hinzufügt, dass man hier auch „wahnsinnig gut essen könne“, was ihr noch mehr Freude bereite. Vor allem aber sei es das Theaterpublikum, das mit seiner Neugier die Stadt besonders mache: „Das Ensemble ist mit unvergleichlich offenen Armen empfangen worden, das muss man erlebt haben – und ich mach ja auch nicht erst seit gestern Theater.“

An ihrer Seite kämpft Joachim Król

Nein, Meyerfeldt spielt wahrlich nicht erst seit gestern. Sie war in den Neunzigern eine Ikone der Berliner Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz. Sechzehn Jahre gehörte sie dort zum Ensemble und hat unter der Leitung des Regieberserkers Frank Castorf die wilde Theaterära entscheidend mitgeprägt. Meyerfeldts Lebenslauf ist lang, sie hat in etlichen Film- und Radioproduktionen mitgewirkt, drehte mit Rammstein ein Musikvideo und gab 2012 ihr Regiedebüt am Basler Theater. Doch dann kam Armin Petras. Seine Visionen waren es, die Meyerfeldt dazu bewogen, sich fest an Stuttgart zu binden: „Ich bin zur richtigen Zeit am richtigen Ort.“

Es ist vor allem der Neubeginn des Theaters, der die energetische Spielerin reizt. Wie ihr neuer Intendant empfindet auch sie Glück darin, sich „entsprechend seiner Fähigkeiten zu verausgaben“. Die Zukunft des Schauspiels will sie deshalb nicht nur begleiten, sondern nach Kräften auch mitgestalten. In den „Szenen einer Ehe“ ist ihr das bereits bestens gelungen, denn unter Bosses Regie entwickelt sich ein sezierendes Liebestrümmerstück, das gerade vom Kontrast der beiden Spieler lebt. An der Seite von Astrid Meyerfeldt kämpft niemand Geringeres als Joachim Król. „Wir sind beide so unterschiedlich, unterschiedlicher geht’s gar nicht“, gesteht die jetzt losprustende, lebhaft gestikulierende Meyerfeldt, deren Bewegungen nicht hektisch, sondern untermalend ausfallen. Die Zusammenarbeit mit Król sei überaus produktiv gewesen, denn nichts wäre auf der Bühne langweiliger als zwei gleiche Temperamente. Auch deshalb seien die Brüche in der Psychologie sowie die forcierte Körperlichkeit der Inszenierung so wichtig gewesen.

Sie rennt, tobt und turnt

In der Tat: Meyerfeldt macht aus der Bühne einen Spielplatz, auf dem sie rennt, tobt und turnt. „Joachim und ich lagen bei den Proben schwitzend auf der Bühne und haben uns ein ,Boah, bist du auch so fertig?’ zugeflüstert“, erinnert sich die Schauspielerin, die für ihre Liegestützen regelmäßig Szenenapplaus erhält. Und ihr Regisseur Jan Bosse ist sowieso seit je von Meyerfeldt begeistert, aber erst jetzt haben beide zum ersten Mal miteinander gearbeitet: „Sie ist eine Kunstbegeisterte, die sich immer wieder entzünden kann, die sich führen und verführen lässt“, sagt Bosse, „und das mit solcher Hingabe, mit kindlichem Spieltrieb und professioneller Selbstständigkeit, dass es in der Natur der Sache liegt, auch in Zukunft mit ihr arbeiten zu wollen.“

Das Gespräch mit Astrid Meyerfeldt neigt sich dem Ende zu. Kurz vorm Abschied stellt sie noch einen Satz aus den „Szenen einer Ehe“ in den vor Euphorie ohnehin schon elektrisierten Raum: „Ich finde das Leben immer noch spannend“, sagt bei Bergman die Marianne – und sagt jetzt auch mit wachem Blick und meerblauen Augen die virtuose Marianne-Darstellerin. Es ist diese Neugier aufs Leben, diese unbändige Lust am Neuen, die Astrid Meyerfeldt als Frau und Schauspielerin so spannend macht.