Der Himmelskörper Vesta hat gigantische Einschläge überstanden, wie Bilder von riesigen Kratern, hohen Bergen und tiefen Rinnen zeigen.

Stuttgart - Die dramatische Landschaft auf dem Asteroiden Vesta stellt alles in den Schatten, was sich Science-Fiction-Autoren so ausgedacht haben. Aus einer tiefen Senke am Südpol ragt ein Bergmassiv mit einem Durchmesser von 180 Kilometern rund 22 Kilometer steil in den Himmel. Selbst Ralf Jaumann vom Berliner Institut für Planetenforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) fällt ein Vergleich schwer: „Das ähnelt vielleicht einem Blick vom höchsten Gipfel der Erde im Himalaja. Nur liegt am Fuß des Gebirges nicht Indien, sondern die tiefste Schlucht in den Weltmeeren, aus denen allerdings das Wasser abgelassen wurde.“

 

Dahinter gehen schon die nächsten Bergflanken ebenfalls 22 Kilometer in die Höhe. Dieses Massiv zieht sich in einem gigantischen Dreiviertelkreis mit einem Durchmesser von rund 500 Kilometern um den Zentralberg herum. Hinter diesen Zyklopen-Ringbergen kommt bald der Äquator, um den sich, wie von einer überdimensionalen Schlinge eingekerbt, monströs anmutende Furchen schlingen. Diese sind einige hundert Kilometer lang, stellenweise beinahe 30 Kilometer breit und einige Tausend Meter tief. Mit diesen Dimensionen übertreffen sie den Grand Canyon auf der Erde bei Weitem.

Apokalyptische Landschaft

Wenn Planetenforscher wie Ralf Jaumann und seine Kollegen in aller Welt erklären wollen, wie diese apokalyptisch erscheinenden Landschaften entstanden sein könnten, brauchen sie erst einmal genaue Daten von diesem Asteroiden. Das Weltraumteleskop Hubble sieht am Südpol von Vesta zwar eine gewaltige Delle, aber keine genauen Strukturen. Um mehr zu erfahren, schickte die US-Weltraumbehörde Nasa am 27. September 2007 die 350 Millionen Dollar teure Raumsonde Dawn auf den Weg (siehe Informationskasten), Zwischen dem 16. Juli 2011 und dem 5. September 2012 beobachtete der Satellit den Asteroiden aus einer Entfernung von zum Teil nur 175 Kilometern. Im Fachmagazin „Science“ berichten die beteiligten Wissenschaftler nun über die dabei gewonnenen Erkenntnisse.

Während Kollisionen fast alle anderen Asteroiden seit ihrer Entstehung vor 4,55 Milliarden Jahren in kleinere Teile zertrümmert haben, scheint Vesta das kosmische Bombardement weitgehend unbeschadet überstanden zu haben. Allerdings nur knapp, wie die von Dawn zur Erde gefunkten Daten zeigten.

An Bord der Sonde sind drei Instrumente, darunter ein vom DLR und dem Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Katlenburg-Lindau entwickeltes Kamerasystem. Das aber liefert – wie die meisten Kameras auf der Erde – nur zweidimensionale Bilder. Aus diesen platten Aufnahmen ermitteln dann der Berliner DLR-Forscher Frank Preusker und seine Mitarbeiter die Höhen und Tiefen, die Berge und Schluchten auf Vesta. „Dabei nehmen wir die Oberfläche von Vesta aus vier oder fünf Blickwinkeln auf“, erklärt der Spezialist für diese Stereoauswertung. Die Kamera fotografiert zuerst senkrecht nach unten, während sie bei weiteren Flügen über die gleiche Region um zehn Grad nach rechts, links, vorne oder hinten ausgerichtet wird. Ähnlich wie das Gehirn aus den beiden von unseren Augen gelieferten Blickwinkeln ein räumliches Bild mit drei Dimensionen ermittelt, rechnen die Computerprogramme der DLR-Forscher aus diesen Vesta-Bildern dann die Höhen und Tiefen des Asteroiden aus.

Viele Krater im Krater

Dabei tauchen unter anderem eine Menge kleiner Krater auf, die sich innerhalb eines großen Kraters aneinanderzudrängen scheinen. „Vergleichbare Strukturen gibt es auch auf dem Mars und sogar auf der Erde, zum Beispiel in Island“, erklärt Ralf Jaumann. Sie entstanden, als glühend-flüssige Lava über einen Eisbrocken im Boden floss. Das Eis verdampfte schlagartig. Da Eis aber viel weniger Raum braucht als der daraus entstehende Wasserdampf, explodiert das Ganze und reißt ein Loch in den Boden, das einem Vulkankrater ähnelt. Ein internationales Wissenschaftler-Team, zu dem auch Frank Preusker gehört, beschreibt die genauen Vorgänge in „Science“ so: Ein Meteorit prallt auf Vesta und schlägt dabei den großen Krater. Die riesige Energie dieser Kollision schmilzt einen Teil der Oberfläche von Vesta. Diese Lava hüllt dann Eisbrocken aus dem Meteoriten ein, die darauf folgenden Wasserdampfexplosionen reißen die nebeneinander liegenden Krater in den Boden von Vesta.

Ein weiteres internationales Team berichtet in „Science“ von Wasserstoff auf Vesta, der offensichtlich aus aufprallenden Meteoriten stammt. Ohnehin ist der Asteroid von Kratern übersät, wie praktisch alle anderen Himmelskörper im Sonnensystem, die nicht von einer dichten Lufthülle geschützt werden. Das hatten die Forscher auch erwartet. Schließlich zeigt schon ein Blick auf die vielen Krater des Mondes, dass Kollisionen mit solchen kosmischen Brocken keinen Seltenheitswert haben. Als die Computerprogramme von Frank Preuskers Team aber die Oberfläche der Südhalbkugel von Vesta ermittelten, waren die Forscher dann doch verblüfft: Die vom Hubble-Teleskop bereits registrierte Delle am Südpol entpuppte sich als gigantischer Krater, der mit einem Durchmesser von 500 Kilometern fast so groß wie der Durchmesser des gesamten Asteroiden ist. Nach der mythischen Urmutter der Stadt Rom wurde diesen Krater „Rheasilvia“ getauft.

Kollisionen mit Riesenbrocken

Damit aber nicht genug: im tiefen Süden von Vesta gibt es noch einen zweiten Monsterkrater „Veneneia“, der mit 400 Kilometern Durchmesser nicht viel kleiner als Rheasilvia ist, zum Teil aber unter diesem liegt. „Beide Krater sollten durch die Einschläge riesiger Asteroiden entstanden sein, die Vesta beinahe zerstört hätten“, vermutet Frank Preusker. Die genauen Vorgänge dabei schildert Ralf Jaumann: „Zunächst kollidierte ein Riesenbrocken mit Vesta, der nicht nur Veneneia aushob, sondern vielleicht auch die Achse verschoben hat, um die Vesta sich dreht.“ Erst dieses Kippen der Rotationsachse hätte dann den Südpol des Asteroiden Richtung Veneneia verschoben.

Wann dieser Einschlag war, lässt sich heute kaum noch ermitteln. Denn die Spuren des Treffers liegen unter dem Material begraben, das beim Auftreffen eines weiteren kosmischen Boliden am Südpol ausgeworfen wurde. „Das könnte einen Tag, aber auch eine Milliarde Jahre nach dem Veneneia-Meteoriten passiert sein“, nennt Ralf Jaumann kosmische Zeitdimensionen für die Reihenfolge beider Kollisionen.

Ein zweiter Volltreffer

Die Vorgänge beim zweiten Volltreffer aber kann er recht gut beschreiben: „Vor vielleicht einer Milliarde Jahre sollte ein Asteroid mit einem Durchmesser von 25 bis 75 Kilometern relativ langsam am Südpol eingeschlagen sein“, fasst der Forscher die Grundlagen zusammen. Damals ist also ein Brocken mit der Fläche des Saarlands und einer Höhe, die vom Meeresspiegel bis in die höheren Regionen der Stratosphäre reichen würde, mit Vesta zusammen gestoßen. Dabei entstand eine Senke mit 500 Kilometern Durchmesser, deren Rand sich heute von der tiefsten Stelle aus mehr als 22 Kilometer nach oben wölbt. Außerdem wurden das in der Mitte des gerade entstehenden Rheasilvia-Kraters nach dem Aufprall wieder „zurückflutende“ Gestein in die Höhe geschleudert. Dabei entstand das ebenfalls 22 Kilometer hohe Monstergebirge in der Mitte von Rheasilvia. Auch wurden etliche Brocken ins All geschleudert, einige von ihnen landeten später als Meteorite sogar auf der Erde.

Der Flug zum Asteroiden Vesta

Planetengeburt Als das Sonnensystem vor 4,55 Milliarden Jahren entstand, ballten sich in den Außenbereichen schwerere Teilchen relativ rasch zu immer größeren Himmelskörpern zusammen. So entstanden die Erde sowie Mars und Venus. Andere Himmelskörper wie Vesta blieben dagegen als Planeten-Embryonen stecken. Vesta hat eine viel unregelmäßigere Form als die Erde und ist eine Art Riesen-Ei mit noch größeren Dellen. Der größte Durchmesser wurde mit rund 573 Kilometern ermittelt, der kleinste Durchmesser misst dagegen nur 446 Kilometer.

Flüssige Planeten Als kleinere Trümmer sich zusammenballten, setzten die vielen Kollisionen große Energiemengen frei und die gerade geborenen Planeten wurden flüssig. Diese Energie könnte Vesta vielleicht 100 Millionen Jahre flüssig gehalten haben, vermuten Forscher. Als die Planeten von außen nach innen erstarrten, blieb dieser schwere Kern erhalten. Er ist von einem leichteren Mantel umgeben.

Asteroiden So wie Vesta entstanden vermutlich etliche ähnlich kleine Himmelskörper im Asteroidengürtel, die eine Zeit lang flüssig waren. Nach einiger Zeit wurden sie fest und hatten dann – wie die Planeten – einen schweren Kern und einen leichteren Mantel. Kollisionen mit anderen Planetenembryonen und kleineren Teilen zertrümmerten sie dann zu kleineren Asteroiden.

Mission
2007 startete die US-Sonde „Dawn“ (englisch: Morgenrot), die den aus der „Morgendämmerung“ des Sonnensystems stammenden Asteroiden Vesta nun etwa ein Jahr lang untersucht hat. Am 5. September ist Dawn zum Zwergplaneten Ceres weitergeflogen. Die Ankunft dort: Februar 2015.