Tübinger Forscher haben geholfen zu erklären, woher ein planetarischer Nebel am Südhimmel seine tentakelförmigen Gebilde hat.

Stuttgart - Die Astronomen haben ihm den Namen Fleming 1 gegeben. Wer den planetarischen Nebel mit den auffallend symmetrischen Armen sehen will, muss ihn am Südhimmel im Sternbild des Zentauren suchen. Die Astronomen kennen ihn schon seit mehr als einem Jahrhundert, aber erst jetzt ist es Wissenschaftlern gelungen, eine Erklärung für die Entstehung und die Symmetrie der beiden Tentakel zu finden, die Fleming 1 zu jeder Seite mehr als 4,5 Lichtjahre weit ins All streckt – weiter als von der Sonne bis zum nächstgelegenen Stern. Ein Team um Henri Boffin von der Europäischen Südsternwarte (ESO) in Chile hat Fleming 1 neu vermessen und mit diesen Daten neue Computermodelle von Thomas Rauch an der Universität Tübingen gefüttert.

 

Planetarische Nebel, so schreiben die Forscher in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „Science“, repräsentieren ein Übergangsstadium am Ende des Lebens von Sternen wie der Sonne. Fleming 1 schleudert ganz offensichtlich Masse ins All hinaus. Das führen die Wissenschaftler darauf zurück, dass da nicht ein Stern sein Leben aushaucht, sondern dass zwei alternde Sterne umeinander kreisen – in diesem Fall in der sehr kurzen und sehr seltenen Zeit von 1,2 Tagen. Kein Wunder, dass sie sich gegenseitig stark beeinflussen.

Wie ein taumelnder Kreisel

Die Tübinger Forscher konnten das Bild, das die Teleskope zeigen, rekonstruieren: Der eine Stern zieht mit seiner Schwerkraft von dem anderen Materie ab. Diese Materie sammelt sich scheibenförmig um den Stern und umkreist ihn. Beide Sterne zerren mit ihrer Schwerkraft an dieser sogenannten Akkretionsscheibe, weshalb diese anfängt, wie ein taumelnder Kreisel zu präzedieren. Diese taumelnde Scheibe ist nun verantwortlich dafür, dass Materie, die die Sterne ausstoßen, in zwei Fontänen – Astronomen sprechen von Jets – symmetrisch ins All geschleudert wird. Die äußersten Knoten der Jets veranschlagen die Forscher auf ein Alter von 16 000 Jahren, die innersten auf 5000 Jahre.

Seinen Namen hat Fleming 1 übrigens von einer Frau: Williamina Fleming, geboren 1857. Das begabte Kind wurde schon mit 14 Jahren Lehrerin an einer öffentlichen Schule. Ihr Mann verließ sie, als sie mit ihrem ersten Sohn schwanger war. Sie fand eine Stelle als Haushälterin bei Edward Pickering, Astronom am Harvard College Observatorium. Unzufrieden mit seinen männlichen Mitarbeitern, stellte der sie zunächst für Büroarbeiten an. Sie machte Karriere in der Astronomie und wurde 1906 als erste amerikanische Frau in die Royal Astronomical Society aufgenommen.