Kaum ein innenpolitisches Thema hat die Grünen in der bisherigen Legislaturperiode so entzweit wie der neue Asylkompromiss. Nachdem zunächst die Kritik an Kretschmann dominierte, nehmen ihn einige Parteikollegen jetzt in Schutz.

Kaum ein innenpolitisches Thema hat die Grünen in der bisherigen Legislaturperiode so entzweit wie der neue Asylkompromiss. Nachdem zunächst die Kritik an Kretschmann dominierte, nehmen ihn einige Parteikollegen jetzt in Schutz.

 

Stuttgart - Nach seiner Asyl-Einigung mit der Bundesregierung reißt die Kritik an Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) nicht ab. Doch nachdem sich die ersten Wogen geglättet haben, zeigten einige Parteikollegen am Wochenende auch Verständnis für die Entscheidung des ersten grünen Regierungschefs.

Parteichef Cem Özdemir nahm Kretschmann in Schutz. „Ich bin auch nicht glücklich über das Gesamtergebnis, aber unsere Verhandler haben Zugeständnisse erreicht - gerade bei der Residenzpflicht und dem verbesserten Arbeitsmarktzugang -, über die unsere Partei während der rot-grünen Jahre glücklich gewesen wäre“, sagte Özdemir der Zeitung „Die Welt“. Durch Kretschmanns Ja war im Bundesrat am Freitag eine Mehrheit für die Abkürzung der Asylverfahren für Menschen aus Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina zustande gekommen. Die Zahl der Asylbewerber ist seit Jahresbeginn stark angestiegen.

Auch Hessens Grüne verteidigten Kretschmann. „Ich sehe seine Entscheidung nicht als Verrat“, sagte der Landesvorsitzende Kai Klose am Sonntag der Nachrichtenagentur dpa. „Für uns Hessen sind die Verbesserungen, die das Gesetz enthält, nicht ausreichend - gerade auch, weil etwa die Abschaffung der Residenzpflicht schon im hessischen Koalitionsvertrag vereinbart ist“, räumte Klose ein. Eine Neujustierung seiner Partei angesichts der Flüchtlingssituation hält Klose aber nicht für nötig. „Uns eint eine klare Haltung: Wir wollen die Situation der Flüchtlinge verbessern.“

Hessen unterstützt Kretschmann

Der hessische Landesparteichef zeigte sich erstaunt über die Reaktion der Grünen-Bundesspitze auf Kretschmanns Entscheidung. „Sie war in die Verhandlungen eingebunden und informiert. Ich bin verwundert, dass sie so gar kein Verständnis für die Situation der Länder hat.“

Auch die Berliner Grünen-Chefin Bettina Jarasch verteidigte Kretschmanns Alleingang. „Wir wissen, dass es uns allen um Verbesserungen für die Flüchtlinge geht“, sagte sie der Nachrichtenagentur dpa. Im Bundesvorstand, dem Jarasch angehört, sei lange darüber diskutiert worden. Die Grünen hätten versucht, das Maximum herauszuholen. Man müsse akzeptieren, dass Kretschmann bei diesem Kompromiss die Folgen für die Menschen in seiner Verantwortung abgewogen habe. Bei einem Scheitern der Verhandlungen hätten die Grünen im Vermittlungsausschuss zudem keinen Einfluss mehr gehabt.

Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Tom Koenigs sagte dem Sender hr-Info: „Ich hätte es anders abgewogen, aber ich kann mir vorstellen, dass ein Ministerpräsident, der für das ganze Land sprechen muss, da zu einer anderen Einschätzung kommt.“ Der Kompromiss zwischen Kretschmann und der Bundesregierung beinhalte außerdem eine Verbesserung der Lebenssituation der Flüchtlinge.

Claudia Roth war nicht angetan

Die frühere Grünen-Bundesvorsitzende Claudia Roth sagte indes zu „Spiegel Online“, Kretschmanns Zustimmung zum Asyl-Kompromiss sei „nicht verantwortungsvoll, nicht in der Sache und nicht gegenüber der Partei“. Sie warf dem Ministerpräsidenten vor, die Glaubwürdigkeit der Grünen aufs Spiel gesetzt zu haben. „Die Gefahr besteht, dass viele nun sagen, jetzt habe man Grüne auch dazu gebracht, zwischen richtigen und falschen Flüchtlingen zu unterscheiden.“

Der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose, sagte dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ (Samstag): „Es ist ein bisschen traurig, dass wir das Gefühl haben, in dieser Sache Manövriermasse zu sein für Kompromisse.“

Die frühere Ausländerbeauftragte des Berliner Senats, Barbara John, befürwortete die Einstufung von Bosnien-Herzegowina, Mazedonien und Serbien als „sichere Herkunftsländer“. Die Entscheidung des Bundesrates, die Rechtswege zu verkürzen, sei richtig, sagte die CDU-Politikerin im RBB-Inforadio.