Nach zehn Jahren ist Soheila Nourieh zwar bestens integriert, aber noch immer nurgeduldet. Die Geschichte einer iranischen Familie.

Esslingen - In der Wohnung von Soheila Nourieh und Mohammad Bahramian stehen drei Aquarien. Das kleinste im Zimmer ihres dreijährigen Sohnes Pouyan, das größte und schönste im Wohnzimmer. Es sind die Fische, die dem 43-jährigen Iraner in den vergangenen Jahren geholfen haben, ein wenig Seelenfrieden in Deutschland zu finden. „Wir hatten selbst in den Asylunterkünften ein kleines Aquarium“, erzählt Soheila Nourieh.

 

Vor zehn Jahren ist das Paar aus dem Iran geflohen. Der politische Aktivist Mohammed Bahramian geriet ins Visier der Sicherheitsbehörden, die Eheleute mussten untertauchen. „Wir konnten nicht einmal mehr in unsere Wohnung zurück, um die wichtigsten Sachen zusammenzupacken“, erzählt die 31-Jährige. Lange Zeit wussten die beiden nicht einmal, in welches Land die Fluchthelfer sie führen würden. „Erst unterwegs wurde uns gesagt, dass wir auf dem Weg nach Deutschland waren“, erinnert sich Nourieh mit Unbehagen. Vor der Landesaufnahmestelle für Flüchtlinge in Karlsruhe haben die Fluchthelfer das Paar abgesetzt, mit der Angabe, hier könnten sie ihren Asylantrag stellen.

Eine Abschiebung ist im Moment nicht möglich

Inzwischen sind Jahre vergangen, die Iraner haben in vier verschiedenen Asylunterkünften im Landkreis Esslingen gelebt und irgendwann den Sprung in eine eigene Wohnung geschafft. Sie haben sich in einem Echterdinger Mehrfamilienhaus wohnlich eingerichtet, mit gebrauchten Möbeln, viel Sorgfalt und mit der Hilfe von Freunden. Äußerlich sind die beiden Iraner längst in Deutschland angekommen, ihrem Status nach aber sind sie es nicht. Soheila Nourieh und ihr Sohn sind nur geduldet, das Ausländeramt verlängert ihren Aufenthalt immer nur um drei Monate. Im Jargon der Behörden heißt das, eine Abschiebung ist im Moment nicht möglich.

Besser sieht es für Mohammad Bahramian aus, sein Asylfolgeantrag aus dem Jahr 2011 wurde teilweise anerkannt, weshalb der 43-Jährige erstmals einen gesicherten Aufenthalt für ein Jahr und zugleich eine Arbeitserlaubnis ausgestellt bekommen hat. „Für uns war das eine große Erleichterung“, sagt Nourieh. Sie selbst aber liegt noch immer in vielen Nächten wach, weil die Angst sie plagt, von der Polizei doch noch abgeholt zu werden. Dabei wünscht sich die Iranerin nur eines: „Ich will ein normales Leben führen. Ich will arbeiten – wie alle. Und ich will, dass mein Sohn auf seine Eltern stolz sein kann.“

Eine Tür geöffnet

Der neue Aufenthaltsstatus hat Mohammad Bahramian eine weitere Tür geöffnet. Seit Oktober besucht der studierte Wirtschaftsingenieur einen Integrationskurs und lernt nach zehn Jahren systematisch Deutsch. Seine Frau behilft sich indes mit einem ehrenamtlichen Sprachprojekt für Migrantinnen und mit viel Fleiß. Die 31-Jährige, die in Teheran Informatik studieren wollte, spricht dennoch fließend Deutsch. Sie hofft auf einen Arbeitgeber, der ihr trotz Duldung die Chance gibt, Internetseiten zu gestalten. Auch ihr Mann hofft am Ende des Sprachkurses auf eine Arbeitsstelle. Allerdings wartet bereits das nächste Hindernis: sein Abschlusszeugnis von der Teheraner Universität ist in der Wohnung zurückgeblieben, die die Sicherheitsleute ausgeräumt haben.

Wenn Pouyan in der Nähe ist, verstummen die Gespräche über Flucht, Aufenthalt und iranische Sicherheitsleute. Seine Eltern wollen nicht, dass der Junge mit ihrer Vergangenheit belastet wird. Soheila Nourieh ist froh, dass er einen Platz in einer Kita hat und dort mit anderen Kindern zusammen ist. „Wir hatten lange keine Kontakte nach draußen. In den Asylunterkünften ist man weit von dem Leben hier entfernt.“ Mit Pouyan ist ein wenig Normalität bei den Bahramians eingekehrt und jetzt tun sie alles dafür, dass ihr Sohn mit einem aufwächst: dem Gefühl von Sicherheit.