Seit die US-Regierung unter Trump die Asylregeln verschärft hat, wird es für Menschen aus Mittelamerika immer schwieriger, ihre Ängste vor Bandengewalt glaubhaft zu machen. Asylanwälte berichten zudem, wie Richter sie bei ihrer Arbeit behindern.

Los Fresnos - In ihrer Anhörung bei der US-Asylbehörde hat Patricia Aragon erzählt, warum sie aus ihrer Heimat Honduras floh: Sie sei von einem Bandenmitglied ausgeraubt und vergewaltigt worden, einem Mann, der drohte, sie und ihre neunjährige Tochter umzubringen, sollte sie es wagen, zur Polizei zu gehen. Doch keine Chance. Der Beamte sagte, die honduranische Regierung sei nicht schuld an dem, was ihr passiert sei, und empfahl, ihr kein Asyl zu gewähren.

 

Bis vor Kurzem hätte die 41 Jahre alte Näherin aus San Pedro Sula noch eine gute Aussicht darauf gehabt, diese erste Hürde im Asylverfahren zu überwinden. Aber im Zuge der verschärften Einwanderungsregeln der US-Regierung hat Justizminister Jeff Sessions zuletzt die Kriterien beschränkt, die einen Menschen für einen Schutzstatus qualifizieren. Einwanderer aus Mittelamerika haben es nun schwerer, überhaupt zu einem Asylverfahren zugelassen zu werden, wenn sie aussagen, sie seien vor Gangs, Drogenschmugglern oder häuslicher Gewalt geflohen.

Höhere Durchfallquote bei Asylverfahren

„Das ist ein direkter Angriff auf das Asylverfahren“, sagt Sofia Casini von der gemeinnützigen Organisation Grassroots Leadership im texanischen Austin. Diese setzt sich für Einwanderinnen ein, die im nahe gelegenen Arrestlager T. Don Hutto festgehalten werden und von ihren Kindern getrennt wurden. Laut Casini hat mehr als ein Drittel der etwa 35 Mütter, mit denen ihre Organisation arbeitet, die Befragungen der Asylbeamten nicht bestanden, in denen sie ihre Ängste glaubhaft machen sollten. Die Durchfallquote habe sich verdoppelt, seit die strengeren Regeln eingeführt worden seien.

Um Asyl zu bekommen, müssen die Antragsteller zeigen, dass sie eine gut begründete Furcht davor haben, zu Hause wegen ihrer ethnischen Herkunft, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Haltung verfolgt zu werden. Die 30- bis 60-minütigen Interviews mit der US-Einwanderungsbehörde werden manchmal auch telefonisch geführt. Jeder Beweis, den die Asylsuchenden anführen wollen, muss auf Englisch übersetzt werden. Zudem ist oft kein Anwalt anwesend.

Einwanderungsbehörde verschärft Regeln

Die Regierung unter Ex-Präsident Barack Obama ließ seit 2010 viele Einwanderer, die in der Anhörung ihre Ängste glaubhaft machen konnten, auf freien Fuß, während sie das Asylverfahren durchliefen. Die Zahl der Asylsuchenden stieg, 2016 wurden fast 92 000 durch die Anhörung geschickt - verglichen mit 5000 neun Jahre zuvor. Justizminister Sessions kritisierte, das Asylsystem sei mit „falschen Behauptungen überladen“, und entschied vergangenen Monat: „Generell ist nicht asylberechtigt, wer häusliche Gewalt oder Bandengewalt anführt, die von nichtstaatlichen Behörden ausgeübt werden.“

Eine Mitteilung der US-Einwanderungsbehörde, die vergangene Woche veröffentlicht wurde, bestätigt diese Verfahrensweise. Stünden die Peiniger „nicht in Verbindung mit der Regierung“, müssten die Bewerber beweisen, dass ihr Heimatland „nicht willens oder nicht in der Lage ist, sie zu schützen“. Die Behörde weist ihre Mitarbeiter außerdem an, zu prüfen, ob die Asylsuchenden innerhalb ihres Landes umziehen könnten. „Wenn eine Person sagt „Mein Freund oder mein Mann schlägt mich“, dann heißt es „Na und, abgelehnt““, sagt Paul W. Schmidt, der bis zu seinem Ruhestand 2016 Einwanderungsrichter in Arlington im US-Bundesstaat Virginia war. „Dann geht der Fall an den Richter, der angewiesen wurde, Sessions’ Vorgaben zu folgen - und die meisten wollen ihre Jobs behalten und stempeln die Entscheidung einfach ab.“

Asylgerichte hören neueste Fälle zuerst an

Wer in der Anhörung seine Ängste glaubhaft machen soll, kommt meistens aus El Salvador, Honduras und Guatemala, wo die Gang M-13 versucht, den Drogen- und Menschenhandel zu kontrollieren. Die US-Einwanderungsbehörde erklärt, mehr als drei von vier Asylsuchenden hätten die Anhörung zwischen Oktober 2017 und Januar bestanden. Neuere Statistiken gibt es nicht, so spiegeln die Zahlen nicht die Veränderungen seit Sessions’ Entscheidung wider.

Behördensprecher Michael Bars sagt: „Migranten wissen, dass sie ein kaputtes System ausnutzen können, um in die USA zu gelangen, sie entziehen sich der Abschiebung und bleiben im Land.“ Er fügt hinzu, Änderungen in der Terminvergabe für die Anhörungen hätten geholfen, den wachsenden Bearbeitungsstau abzubauen.

Der Bostoner Anwalt Adam Dobson, der seit Kurzem Asylsuchende im Arrestlager Port Isabel bei Los Fresnos in Texas nahe der mexikanischen Grenze berät, sagt: Eine dieser Änderungen sei, wie die Asylgerichte die Fälle bearbeiteten. Sie gingen nicht länger vom ältesten zum jüngsten Fall vor. „Die Annahme ist: Wenn man die neuesten Fälle zuerst anhört und sie schnell genug ablehnt, haben die Menschen weniger Wurzeln geschlagen.“

Kinder müssen allein vor Gericht erscheinen

Andere Anwälte für Asylsuchende sagen, dass manche Einwanderungsrichter ohne Vorwarnung Fälle vorziehen und die Menschen anhörten, bevor die Anwälte eingetroffen seien. Sind sie anwesend, sei es ihnen mitunter auch schon verwehrt worden, zu sprechen. Der New Yorker Anwalt William Silverman berichtet, wie er im Juni südwestlich von San Antonio ehrenamtlich vier Kinder aus Mittelamerika im Alter von fünf bis zehn Jahren vertrat, die allein vor Gericht erschienen, nachdem sie und ihre Mütter die erste Asylanhörung nicht bestanden hatten. Silverman sagt, der Richter habe sich per Video zuschalten lassen, die Anträge der Kinder abgelehnt und jedem einzelnen „viel Glück in deinem Heimatland“ gewünscht.

„Einige Kinder waren noch nicht alt genug, um die Folgen zu begreifen“, berichtet Silverman. „Aber der älteste Junge schwieg, als der Richter sprach, sackte in sich zusammen und ließ den Kopf hängen. Er wirkte komplett niedergeschlagen.“