Kaum ein anderes Thema polarisierte in den letzten Wochen so sehr wie der Asylstreit. Geflüchteten aus der Region Stuttgart bereitet die zunehmende Abschottung Europas Sorgen.

Stuttgart - Europa schottet sich zunehmend gegenüber Flüchtlingen ab – und auch in Deutschland kreist die Debatte um Zurückweisungen an der Grenze, Transferzentren und sichere Herkunftsländer. Wie nehmen Flüchtlinge aus der Region Stuttgart diese Debatte wahr?

 

„Die Menschen lächeln nicht mehr“

Aadil M. (Name geändert) ist aus dem Bürgerkriegsland Syrien geflüchtet. Seit zweieinhalb Jahren lebt der 26-Jährige in Deutschland. Dass sich Europa zunehmend abschottet, bereitet ihm Sorgen, insbesondere, dass derzeit einige Schiffe der privaten Seenotretter in den Häfen von Malta und Italien festgesetzt wurden, findet er tragisch. „Es geht um Menschen! Dass Hunderte von Geflüchteten im Mittelmeer ertrinken, das ist einigen Politikern egal“, sagt er aufgebracht.

Dass sich das politische Klima in Deutschland verändert hat, spürt der Syrer auch am eigenen Leib. Bei seiner Ankunft in Deutschland habe er sich sehr wohlgefühlt, sagt er. Heute würden ihm die Leute komische Blicke zuwerfen. Sie lächelten nicht mehr. Er sagt: „Ich hatte in der Geburtslotterie eben nicht das Glück, in einem sicheren Land geboren zu werden.“

„Jeder von dort ist traumatisiert“

Die 19-jährige Muska N. lebt seit zweieinhalb Jahren in Deutschland. Momentan arbeitet die Afghanin beim Jobcenter und möchte bald eine Ausbildung beginnen. Dass sich Innenminister Horst Seehofer über die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber nach Afghanistan gefreut hat, kann sie nicht nachvollziehen. „Menschen sollten nicht nach Afghanistan abgeschoben werden. Jeder Flüchtling von dort ist traumatisiert und seelisch schwer geschädigt“, sagt sie. Asylzentren lehnt Muska N. ab. Viel sinnvoller sei es, Länder wie Griechenland finanziell zu unterstützen, so dass die Asylbewerber dort die gleichen Perspektiven wie in den reicheren EU-Ländern hätten.

„Menschlich denken“

Rasoul A. (Nachname geändert) ist aus dem Iran geflüchtet. Seit zweieinhalb Jahren lebt er in Deutschland und macht eine Ausbildung als Fachkraft für Veranstaltungstechnik. Sogenannte Transfereinrichtungen, in denen Geflüchtete an der deutsch-österreichischen Grenze zurückgewiesen werden können, lehnt der 27-Jährige ab: „Es ist gut zu prüfen, ob jemand ein Anrecht auf Asyl hat, aber man muss menschlich denken.“ Er erreichte Ende 2015 Griechenland als erstes europäisches Land: „Ich kann mir nicht vorstellen, wie mein Leben jetzt wäre, wenn ich in Griechenland hätte bleiben müssen.“ Rasoul A. glaubt, dass viele Länder in der europäischen Union mit eigenen wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen hätten und es daher sehr schwer sei, sich dort zu integrieren. Dass ein Großteil der Rettungsschiffe derzeit nicht auf das Mittelmeer hinausfahren kann, findet Rasoul A. unmenschlich. „Es ist keine Lösung die Mittelmeerroute dicht zu machen. Niemand setzt sich auf so ein Boot und gefährdet sein Leben ohne triftige Gründe“, sagt er.

„Ich wäre glücklicher in meinem Dorf“

Bereits 1990 ist Sewinc K. als kurdischer Flüchtling nach Deutschland gekommen. Der 54-Jährige ist zufrieden mit dem Leben, das er sich in Deutschland aufgebaut hat. Dennoch glaubt er: „Noch glücklicher wäre ich, wenn ich nie hätte fliehen müssen und noch in meinem Dorf wäre.“

Die Transfereinrichtungen hält auch Sewinc K. für keine gute Lösung. „Innerhalb von 48 Stunden zu prüfen, ob jemand asylberechtigt ist, wird in der Realität nicht funktionieren“, meint der Kurde. Des Weiteren hält er es für unmenschlich, die Leute an der Grenze festzuhalten. Viele seien monatelang unterwegs gewesen und hätten Schreckliches erlebt.

„Europa muss an die Ursachen gehen“

Die Zukunft von Arman C. aus dem Iran ist ungewiss. Der 31-jährige politische Aktivist und Blogger lebt seit fünf Jahren in Deutschland. Sein Asylantrag wurde mehrfach abgelehnt. Arman C. fordert: „Europa muss an die Ursachen der Fluchtproblematik gehen und das Geld dort einsetzen.“ Insbesondere Afrika müsse wirtschaftlich stabilisiert werden.