Als Reaktion auf die Silvester-Übergriffe gegen Frauen in Köln einigt sich die Koalition auf eine Verschärfung des Ausweisungsrechts. Verfassungsschützer warnen unterdessen vor einer Radikalisierung der Flüchtlingsgegner.

Berlin/Straßburg - Die Bundesregierung will kriminelle Ausländer künftig schneller abschieben. Mit einer entsprechenden Gesetzesvorlage reagierte das Bundeskabinett am Mittwoch auf die Übergriffe gegen Frauen in der Silvesternacht in Köln. Wenn ein Ausländer wegen bestimmter Delikte - zum Beispiel Körperverletzung, Tötung oder Vergewaltigung - zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt wird, soll er künftig mit einer Ausweisung zu rechnen haben. Beim Asylpaket II zur Begrenzung der Flüchtlingszahlen zeichnete sich ein Kompromiss ab. Unterdessen riskierten Flüchtlinge trotz des Winterwetters in der Ägäis weiter ihr Leben, um nach Europa zu kommen. Sieben von ihnen ertranken, als ihr Boot kenterte.

 

Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen warnte in Berlin vor einer Radikalisierung der Gegner der Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Die Übergriffe vor knapp einem Monat in Köln und anderen Städten hätten zu einem „Radikalisierungsschub in der Anti-Asyl-Agitation“ der Rechtsextremisten geführt, sagte er in Berlin. „Seitdem sind Aufrufe zur Bewaffnung und Notwehr festzustellen.“

„Die Asyldebatte wird zunehmend emotional geführt“, betonte Maaßen. „Es besteht die Gefahr, dass eine Grauzone zwischen Rechtsextremisten, Rechtskonservativen und Protestbürgern entsteht, die ein erhebliches Gewaltpotenzial birgt.“

Abschiebung auch bei kürzerer Freiheitsstrafe

Nach Ansicht von SPD-Chef Sigmar Gabriel ist die Koalition trotz der massiven CSU-Kritik an der Flüchtlingspolitik voll handlungsfähig. „Es gibt in der Bundesregierung keinen Streit“, sagte er in Berlin. So verhalte sich auch CSU-Verkehrsminister Alexander Dobrindt, der von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) einen Plan B zur Begrenzung der Flüchtlingszahlen verlangt hatte, im Kabinett „absolut kollegial“.

Gabriel rief CDU und CSU jedoch auf, ihren internen Streit besonnener zu führen. „Wir müssen endlich beenden, den Eindruck zu vermitteln, wir seien in einer Staatskrise und hätten die Kontrolle über das Land verloren.“ Beim Asylpaket II sei er „einigermaßen guter Hoffnung“, dass die CSU dem von CDU und SPD vorbereiteten Kompromiss am Donnerstag zustimmen werde.

Das geplante schärfere Ausweisungsrecht sieht eine Abschiebung auch bei einer kürzeren Freiheitsstrafe wegen Delikten wie Körperverletzung, Tötung oder Vergewaltigung vor - egal, ob die Strafe zur Bewährung ausgesetzt ist oder nicht. Asylbewerbern, die Straftaten begehen, soll in Zukunft konsequenter die Anerkennung als Flüchtling versagt werden. Im Gesetzentwurf heißt es, wenn Asylsuchende oder andere Ausländer in Deutschland Straftaten „von erheblichem Ausmaß“ begingen, könne dies den gesellschaftlichen Frieden und die Akzeptanz für die Zuwanderung und Flüchtlingsaufnahme gefährden.

Europarat fordert Hotspots

In Köln hatten in der Silvesternacht Gruppen von Männern Frauen umzingelt, bestohlen und sexuell bedrängt. Unter den Verdächtigen waren auch Asylbewerber. Mehr als 900 Anzeigen gingen ein. Inzwischen wird laut Kölner Staatsanwaltschaft gegen 35 Beschuldigte ermittelt. Dabei handele es sich überwiegend um Nordafrikaner.

Der Europarat forderte in Straßburg die Einrichtung von Hotspots zur Registrierung von Flüchtlingen auch außerhalb der EU. Dort könnten die wirklich Schutzbedürftigen von anderen Migranten unterschieden werden, sagte die Berichterstatterin der Versammlung, die parteilose Belgierin Daphné Dumery.

Auschwitz-Überlebende lobt deutsche Politik

Die von den EU-Innenministern im vergangenen Jahr beschlossene Verteilung von 160 000 Asylbewerbern in Europa kommt weiter nicht voran. Bis Januar sind erst etwas mehr als 300 Flüchtlinge tatsächlich umgesiedelt worden. Vor allem ost- und mitteleuropäische Staaten sperren sich dagegen. Merkels Politik der offenen Grenzen ist dort sehr unpopulär. Einer Umfrage in Tschechien zufolge ist die Bundeskanzlerin dort inzwischen weniger beliebt als der russische Präsident Wladimir Putin.

Lob für die deutsche Politik gab es jedoch von der Schriftstellerin und Auschwitz-Überlebenden Ruth Klüger. Bei einer Rede im Bundestag zum internationalen Holocaust-Gedenktag nannte die 84-Jährige die deutsche Flüchtlingspolitik als Hauptgrund, die Einladung angenommen zu haben. „Dieses Land, das vor 80 Jahren für die schlimmsten Verbrechen des Jahrhunderts verantwortlich war, hat heute den Beifall der Welt gewonnen dank seiner geöffneten Grenzen und der Großzügigkeit, mit der Sie syrische und andere Flüchtlinge aufgenommen haben und noch aufnehmen“, sagte Klüger.