Angela Merkel und Horst Seehofer wollen Transitzentren für Flüchtlinge an der Grenze zu Österreich einrichten. Was einfach klingt, ist in der Praxis ziemlich schwer zu bewerkstelligen.

Stuttgart - Sie versprechen „ein neues Grenzregime“, sie kündigen „Transitzentren“ an und sie reden von der „Fiktion der Nichteinreise“ bei bestimmten Flüchtlingen: CDU und CDU haben als unionsinternen Kompromiss ein Papier beschlossen, das nur wenige Sätze umfasst, aber viele Fragen aufwirft. Die wichtigsten Punkte im Überblick:

 

Was ist das zentrale Versprechen von Angela Merkel und Horst Seehofer?

An der deutsch-österreichischen Grenze sollen Asylbewerber, für deren Asylverfahren andere EU-Länder zuständig sind, künftig an der Einreise gehindert werden. Sie sollen entweder sofort an der Grenze zurückgewiesen werden oder für eine Übergangszeit in Transitzentren kommen, aus denen sie dann in die zuständigen Länder abgeschoben werden.

Um wie viele Fälle geht es?

Die Vereinbarung bezieht sich ausschließlich auf Bayern. Und betroffen ist nur ein kleiner Teil der Flüchtlinge. Es sollen jene Migranten aufgehalten werden, „für deren Asylverfahren andere EU-Länder zuständig sind“. Das ist weniger weitreichend als es Horst Seehofer (CSU) stets gefordert hat: Der Innenminister wollte all jene zurückschicken, die in anderen EU-Staaten schon mit Fingerabdrücken registriert sind. Das waren im laufenden Jahr bis Mitte Juni 18 349 Asylsuchende. Eine reine Registrierung bedeutet aber nicht automatisch, dass dieses Land für das Asylverfahren zuständig ist. Die EU-Regeln sehen für jeden Fall eine Zuständigkeitsprüfung vor, dabei spielen auch andere Kriterien wie der Aufenthaltsort von Familienangehörigen eine große Rolle.

Wie funktionieren Transitzentren?

Der Begriff „Transitzentren“ geistert bereits seit dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise im Jahr 2015 durch die politische Debatte. Damals schon wollte die Union solche Zentren. Heute könnten es umzäunte und bewachte Gebäude, Container- oder Zeltlager sein, in denen die Flüchtlinge nahe der Grenze untergebracht werden und darauf warten, dass ihre Fälle in einem beschleunigten Verfahren geprüft werden. Geht es nach der Union, sind die Flüchtlinge in den Transitzentren kaserniert – dürfen sie also nicht eigenständig verlassen. Bisher hatte die SPD das Einsperren von Flüchtlingen strikt abgelehnt. Auf jeden Fall soll für die Insassen die „Fiktion einer Nichteinreise“ gelten.

„Fiktion einer Nichteinreise“ – was hat es damit auf sich?

Damit ist gemeint: obwohl der Flüchtling deutschen Boden betreten hat, ist er im juristischen Sinne nicht eingereist. Eine solche Behandlung gibt es bereits auf deutschen Flughäfen. Sie greift bisher für Asylbewerber, die aus einem als sicher eingestuften Land mit dem Flugzeug nach Deutschland kommen. Im Flughafenverfahren ist „das Asylverfahren vor der Entscheidung über die Einreise durchzuführen“, wie es im Asylgesetz heißt. Der Anspruch auf ein reguläres Asylverfahren entsteht erst mit dem Aufenthalt in einem Land. Auf diese Weise ermöglicht das Flughafenverfahren beschleunigte Entscheidungen und Rückweisungen.

Wird Deutschland alleine aktiv?

Nein. Auf Drängen von Angela Merkel (CDU) ist in dem Unionspapier ausdrücklich festgehalten, dass Deutschland „nicht unabgestimmt handeln“ will, sondern nur in Abstimmung mit den EU-Nachbarländern. Dazu sollen bilaterale Vereinbarungen getroffen werden. Wenn sich diese Länder einer Rücknahme der Asylsuchenden verweigern, soll „die Zurückweisung an der deutsch-österreichischen Grenze auf Grundlage einer Vereinbarung mit der Republik Österreich“ stattfinden.

Wie reagiert Österreich?

Noch ist völlig offen, ob die Regierung in Wien da mitmacht. Außenministerin Karin Kneissl klagte öffentlich über das deutsche Vorgehen. „Wir wurden zu keinem Zeitpunkt einbezogen“, sagte Kneissl in Schengen am Rande eines Treffens mehrerer europäischer Außenminister. Kneissl bezweifelt, dass die Transitzentren aus juristischer Sicht sicherstellen, dass Asylbewerber nicht nach Deutschland eingereist sind. „Wer sich auf deutschem Staatsgebiet befindet, ist dort“, sagte sie. Wien will jedenfalls verhindern, dass Deutschland Menschen einfach wieder nach Österreich schickt, wenn sie nicht von den zuständigen EU-Ländern zurückgenommen werden. Die Regierung hat schon angekündigt, dann „Maßnahmen zum Schutz“ seiner Grenzen zu Italien und Slowenien zu ergreifen, damit Asylbewerber gar nicht erst nach Österreich kommen.

Was sagt Italien?

Italiens Innenminister Matteo Salvini bewertet mögliche schärfere österreichische Grenzkontrollen am Brenner positiv für sein eigenes Land. „Für uns wäre das ein gutes Geschäft“, sagte der Chef der fremdenfeindlichen Lega. Denn es seien mehr Migranten, die Italien an Österreich abzugeben habe, als andersherum. „Ich bin bereit, ab morgen die Kontrollen am Brenner wieder einzuführen, weil wir dadurch nur gewinnen können.“ Der Bürgermeister der Gemeinde Brenner, Franz Kompatscher, nannte die derzeitige politische Diskussion „reine Muskelspiele“. „Wir hatten noch nie so wenig Migranten, die Zahlen halten sich sehr in Grenzen.“

Kommen künftig keine unberechtigten Asylbewerber mehr nach Deutschland?

Nein. Erstens geht es nur um die deutsch-österreichische Grenze. Dort wird aktuell nur an drei Stellen kontrolliert sowie bei der Schleierfahndung im Hinterland. Zweitens ist schwer vorstellbar, dass Menschen, die Kilometer von der Grenze entfernt in Bayern aufgegriffen werden, in Transitzentren kommen können; sie haben ja längst deutschen Boden betreten. Drittens: Viele Migranten, die nach Deutschland kommen, sind zudem zuvor gar nicht in anderen EU-Ländern registriert worden. Zudem ist viertens laut Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) keine Ausweitung der Kontrollen geplant. Auch an den Grenzen Deutschlands zu anderen Nachbarländern solle sich nichts ändern.