Der hart errungene Asylkompromiss der Union erweist sich für Horst Seehofer schwer umsetzbar. Alles könnte eine Nummer kleiner ausfallen – auch die österreichischen Nachbarn machen nicht so mit wie gehofft.

Berlin/ Wien - Die Umsetzung des Unions-Kompromisses im Asylstreit könnte am Ende weit weniger Migranten betreffen als zunächst geplant. An der deutsch-österreichischen Grenze sollen nur Menschen zügig zurückgewiesen werden, die bereits woanders einen Asylantrag gestellt haben, sagte Innenminister Horst Seehofer (CSU) am Donnerstag nach einem Treffen mit Österreichs Kanzler Sebastian Kurz in Wien. Das würde die Fallzahl deutlich verringern, in Bayern beträgt sie bisher 150 im Monat. Zunächst hieß es, dass auch alle Migranten betroffen sein sollen, die im Grenzgebiet aufgegriffen werden und schon woanders mit Fingerabdrücken registriert wurden.

 

Diese könnten dann wie bisher erst einmal einreisen und auf ein Asylverfahren hoffen. Seehofer sagte, es gehe darum, Flüchtlinge, die bereits in Italien und Griechenland „registriert sind und dort bereits einen Asylantrag gestellt haben“, bei einer Weiterreise nach Deutschland an der deutsch-österreichischen Grenze abzufangen und in sogenannte Transitzentren zu nehmen. Binnen maximal 48 Stunden sollen sie dann wieder in die Länder zurückgeschickt werden.

Österreich macht nicht so mit wie geplant

Weiteres Problem für Seehofer: Anders als geplant, lehnt Österreich es ab, Flüchtlinge einreisen zu lassen, die in Deutschland abgewiesen werden und bei denen der EU-Staat, in dem sie Asyl beantragt haben, eine Rücknahme verweigert. Damit könnte einer von drei Punkten im Unions-Kompromiss hinfällig sein - und sich die Zahlen rasch zurückgeführter Migranten weiter verringern.

Im Unionspapier heißt es: „In den Fällen, in denen sich Länder Verwaltungsabkommen über die direkte Zurückweisung verweigern, findet die Zurückweisung an der deutsch-österreichischen Grenze auf Grundlage einer Vereinbarung mit der Republik Österreich statt.“

Seehofer betonte nun nach dem Treffen mit Kurz: „Wir werden weder jetzt noch in der Zukunft Österreich für Flüchtlinge verantwortlich machen, für die sie nicht zuständig sind, weil dafür Griechenland und Italien zuständig sind. Das kann ich für heute, war auch nie beabsichtigt, und auch für die Zukunft ausschließen.“

Insgesamt zeichnet sich ab, dass Seehofers Pläne zusammenschmelzen könnten, gerade wenn mit Italien kein Abkommen über eine Rücknahme der Flüchtlinge gelingt, die dort schon Asyl beantragt haben.

Illegal Einreisende könnten auf viele andere deutsche Grenzübergänge ausweichen

In den ersten fünf Monaten des Jahres kam aber ohnehin nur ein geringer Teil aller illegal in die Bundesrepublik eingereisten Menschen über die österreichisch-deutsche Grenze ins Land, berichtet die „Rheinische Post“ unter Berufung auf eine Auflistung der Bundespolizei. Insgesamt wurden demnach bis Ende Mai unerlaubte Einreisen von 18 024 Menschen festgestellt, auf den Grenzbereich zu Österreich entfielen lediglich 4935. Da nur an drei Grenzübergängen die Transitregelungen in Bayern greifen sollen, könnten illegal Einreisende auf viele andere deutsche Grenzübergänge ausweichen.

Seehofer hatte mit Rücktritt gedroht und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) frontal angegriffen, sie willigte schließlich in den Kompromiss ein. Die SPD betonte, geschlossene Lager in Grenznähe werde sie nicht mitmachen. Daher brachte Seehofer als Option Unterkünfte der Bundespolizei ins Spiel. Union und SPD hatten sich bis zuletzt deutlich angenähert - auch in der Frage, ob für eine Zustimmung der SPD die Vorlage eines Einwanderungsgesetzes zur Bekämpfung des Fachkräftemangels auf den Herbst vorgezogen werden könnte. Am Donnerstagabend wollte erneut der Koalitionsausschuss von CDU/CSU und SPD über das Thema beraten.

Verantwortung liegt laut Seehofer bei Kanzlerin Merkel

Seehofer sieht die Verantwortung für Rücknahme-Vereinbarungen im Asyl-Bereich mit anderen EU-Ländern letztlich bei Kanzlerin Merkel. Der CSU-Vorsitzende sagte vor der Reise nach Wien im Bundestag: „Ich gehe davon aus, dass wegen der Komplexität und der europäischen Dimension nach meiner Einschätzung am Ende die wichtigsten Punkte dieser Vereinbarung von den Regierungschefs fixiert werden müssen.“

Die migrationspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Linda Teuteberg, meinte mit Blick auf das Abblocken Österreichs: „Nachdem Österreich es abgelehnt hat, Flüchtlinge aus anderen Staaten zurückzunehmen, funktioniert das Konzept der Transitzentren in der vorgesehenen Form nicht.“ Darüber könne auch nicht hinwegtäuschen, dass jetzt davon gesprochen wird, die Südroute zu schließen.