Am Sonntag haben 50 000 Menschen unter dem Hashtag #ausgehetzt in München gegen die „Politik der Angst“ demonstriert. In Bayern wird der Unmut über die Gegner immer größer.

München - Knapp zwölf Wochen sind es noch bis zur Landtagswahl – und es brodelt immer stärker in Bayern. Die Großdemonstration, bei der am Sonntagnachmittag in München deutlich mehr als 25 000 Menschen – so Polizeiangaben – gegen eine „hetzerische und spaltende Politik“ der CSU auf die Straße gegangen sind, war ja schon die zweite ihrer Dimension innerhalb von nur zwei Monaten. Und das nach langen Jahren der Ruhe im Freistaat Bayern.

 

5000 Teilnehmer waren erwartet

Die 130 Vereinigungen aus allen Bereichen der Zivilgesellschaft, die den Protest organisiert haben, haben gerade mal 5000 Teilnehmer an der Veranstaltung erwartet. Weit näher am Volk und an dessen aktueller Stimmung war da schon – kurioserweise – die CSU. Voller Angst und Nervosität hatte sie in der Nacht zuvor eine Anzeigen- und Plakat-Kampagne gegen die Demonstration gestartet und damit die Stimmung noch drastischer gegen sich selbst gekehrt: Die CSU machte sich auf einmal zur Sprecherin für „politischen Anstand“ und sah die „Hetzer“ auf der Seite ihrer Gegner.

Unmut über Seehofer-Kommentar zu 69. Geburtstag groß

Die CSU ist auch deshalb so nervös, ja geradezu in Panik verfallen, weil die Stimmung gegen das eigene Führungspersonal auch innerhalb der Partei gekippt ist. Horst Seehofers Zynismus hinsichtlich der 69 Abgeschobenen hat da nur ein Fass zum Überlaufen gebracht. Da regt sich besonders an der traditionellen, christlich-gläubigen Basis das Gewissen gegen einen Sprachgebrauch und einen Politikstil, der als verantwortungslos empfunden wird. „Wir behandeln manche Menschen wie Dreck“, schreibt etwa der CSU-Bürgermeister von Hebertshausen bei Dachau, Richard Reischl, an seine eigene Partei. Den Brief hat er über das soziale Netzwerk Facebook verbreitet und damit gewaltiges Aufsehen erregt.

CSU-Umfragewerte im Keller

Und dann krachte kurz vor der Großdemo die neueste Umfrage herein: Nur mehr 38 Prozent der Bayern wollen gegenwärtig die CSU wählen; das ist ein historischer Tiefstand.

Immerhin hat Markus Söder bewiesen, dass er sehr schnell in der Lage ist, Stimmungen aufzunehmen. Seine alte Annahme, die Bevölkerung habe einen Rechtsruck vollzogen, dem man nur zu folgen brauche, hat sich ja bereits als irrig erwiesen – und schon schlägt der um sein Amt kämpfende Ministerpräsident neue Töne an. Von „Asyltourismus“, erklärt er, wolle er in Zukunft nicht mehr reden. Und Journalisten, die am vergangenen Donnerstag bei Söders Rede in Hebertshausen dabei waren – dort also, wo Bürgermeister Reischl den Unmut der Basis so wortmächtig ausgedrückt hatte –, die diagnostizieren gar eine „Strategieänderung“ in Söders Wahlkampf. „Fast wirkt es so, als habe man in der CSU-Spitze bestimmt, ab sofort ganz oft das Wort Humanität zu benutzen“, schreibt die „Augsburger Allgemeine“. Die wichtigste Frage allerdings, die blieb auch für die Kollegen „offen unterm Bierzeltdach hängen“: Wie glaubwürdig ist das alles?