Die Verbrechen von Flüchtlingen zerstören das Grundvertrauen der Menschen. Auch das Vertrauen derer, die eigentlich Wohlmeinend sind, meint unser Kolumnist Götz Aly.

Stuttgart - Wegen des Mordes an Susanna F. (14) in Wiesbaden sitzt ein 21-jähriger irakischer Flüchtling in U-Haft. Wenige Tage später starb Iulia R. (15) aus Viersen infolge von sechs Messerstichen. Als dringend tatverdächtig wurde ihr Ex-Freund Matyu K., ein Bulgare, verhaftet. Was für ein Bulgare? Das fragte nicht nur die „Bild“-Zeitung. Parallel dazu wurde die Gruppenvergewaltigung einer 13-Jährigen in Velbert bekannt. Die verdächtigen acht bulgarischen Jugendlichen – einer filmte die Tat – bezeichnete die Polizei als „EU-Ausländer“. Wer mit einer solchen Umschreibung gemeint ist, weiß jeder. In Freiburg wurde die Studentin Maria vergewaltigt und ertränkt, in Kandel Mia (15) erstochen, in Flensburg Mireille (17). Jedes Mal hatten junge Flüchtlinge die Taten begangen. Der Freiburger Mörder Hussein K. verteidigte sich mit dem Satz: „Es war doch nur eine Frau.“

 

Viele Verbrechen bleiben unerwähnt

Infolge der großen Verbrechen gewinnen Hunderte kleine, von einzelnen Flüchtlingen verbrochene Untaten, die glücklicherweise halbwegs glimpflich ausgehen, an psychologischem Bedrohungsgewicht. In überregionalen Medien bleiben sie unerwähnt. Dazu ein Beispiel vom oberbayerischen Ammersee. Die den dortigen Dörfern und Marktgemeinden zugewiesenen Flüchtlinge werden sehr viel besser betreut als zum Beispiel in Berlin. Daran arbeiten Gemeinderäte mit, Vereine, bürgerliche und kirchliche Initiativen, Handwerksbetriebe und die lokale Presse. Hier zeigt sich die humane Grundhaltung einer konservativen Gesellschaft und auch der CSU. Der „Ammersee Kurier“ meldet jeden abgeknickten Außenspiegel mit dem Hinweis, dass sich Zeugen an die Polizeidienststelle Dießen wenden mögen. In der Regionalbahn müssen Schüler 30 Euro Bußgeld bezahlen, wenn sie die Füße mit Schuhen auf den Sitz legen; Schmierereien gibt es nicht. Doch vor einigen Tagen berichtete der „Ammersee Kurier“ in diese friedlich-wohlwollende Welt hinein, wie ein 16-jähriges Mädchen per Bahn nach Geltendorf fuhr: „Gegen 20 Uhr trat ein junger Mann auf sie zu, drohte mit einem Küchenmesser und forderte Bargeld von ihr. Dem Opfer gelang es, zum Zugführer zu flüchten.“ Am Bahnhof St. Ottilien rannte der Täter davon. Das Mädchen beschrieb ihn so: „Männlich, circa 20 bis 22 Jahre, 1,85 Meter groß, dunkle Hautfarbe, schlank, krause schwarze Haare . . .“

Beschwichtigen bringt nichts

Nun kann man dazu beschwichtigend sagen „Bagatelle“, mit der Kriminalstatistik jonglieren oder in den tödlich endenden Fällen von „Einzeltat“ oder „typischer Beziehungstat“ sprechen. So richtig manche Argumente sein mögen, sie lösen nicht das Problem sich einschleichender, stetig steigender Angst und Reserviertheit. Denn die einander ähnlichen, großen, von jungen Flüchtlingen oder südöstlichen „EU-Ausländern“ begangenen Verbrechen beeinträchtigen das Grundvertrauen ungezählter Menschen massiv. Die Morde und die kleinen, höchst bedrohlichen lokalen Untaten graben sich ins kollektive Gedächtnis ein. Ob man es will oder nicht: Sie erzeugen das Gefühl ohnmächtigen Kontrollverlusts.

Im akuten Streit über die Flüchtlingspolitik neige ich von meiner Grundhaltung her zu Angela Merkel. Aber Markus Söder und Horst Seehofer reagieren politisch auf tatsächliche gesellschaftliche Ängste. Sie haben es nicht verdient, als „Blut-und-Boden-Politiker“ oder als wild gewordene bayerische Wahlkämpfer denunziert zu werden.

Vorschau Am 26. Juni schreibt an dieser Stelle unsere Kolumnistin Katja Bauer.