Ein Atelier im Krankenhaus – das ist eine Rarität. Das Atelier ResonanzRaum in der Rems-Murr-Klinik Winnenden ist eine kreative Oase für Krebspatienten – und mit seiner Kombination aus Musik- und Kunsttherapie in Deutschland einmalig.

Winnenden - Wenn es nicht anders geht, schieben Christiane Riedel und Ruth Breuer Menschen, die zu ihnen ins Atelier kommen wollen, notfalls auch im Krankenbett liegend dorthin. Jeden Freitagnachmittag öffnen die Therapeutinnen für drei Stunden die Türen des Ateliers ResonanzRaum, das in mehrfacher Hinsicht ein besonderer Ort ist. Seinen Sitz hat es in einem großen, hellen Raum im Erdgeschoss der Rems-Murr-Klinik in Winnenden. Wer hier hereinschneit, darf das ohne Anmeldung tun – und ohne schlechtes Gewissen später kommen oder früher gehen. Die einzige Voraussetzung, die Besucher mitbringen müssen ist, dass sie an Krebs erkrankt sind oder waren.

 

Malen, Zeichnen, Trommeln oder auf die Pauke hauen, all das ist hier möglich, denn Christiane Riedel und Ruth Breuer bieten sowohl Kunst-, als auch Musiktherapie an. Diese Kombination finde man nirgendwo anders in Deutschland, betont Markus Schaich, Chefarzt für Onkologie, Hämatologie und Palliativmedizin. Dass es sie in Winnenden gibt, ist maßgeblich ihm zu verdanken. Zum einen interessiert er sich für Kunst, zum anderen ist er überzeugt, dass sie heilsam wirken kann. „Es ist bekannt, dass Patienten, die sich kunst- oder musiktherapeutisch behandeln lassen, offener für ärztliche Gespräche sind und weniger häufig ihre Therapie abbrechen. Die Arbeit mit dem Patienten verbessert sich und dadurch die Prognose.“ Ein wichtiger Aspekt sei, dass der Mensch im Atelier nicht nur passiver Patient, sondern auch selbst aktiv sein könne.

Blumenbilder statt Blumensträuße

Wer mag, darf sich im Atelier aber auch einfach hinsetzen und an der frisch gebrauten Tasse Tee nippen, die Christiane Riedel auf den Tisch stellt. Das große Möbelstück ist dicht beladen: Behälter, voll gestopft mit Buntstiften und Fasermalern, knallbunte Acrylfarben in Tuben, Gläschen voll leuchtender Tusche, Papierbögen und mit Leinwand bespannte Keilrahmen. Einen davon hat Elisabeth Schönerstedt vor sich liegen, darauf zu sehen ist eine Wiese mit fröhlich-bunten Blumen. Elisabeth Schönerstedt setzt mit einer Kalligrafiefeder geschwungene Buchstaben darunter: „Bitte keine Blumen mitbringen.“ Das Gemälde, erklärt Christiane Riedel, sei als hübsch gestaltetes Verbotsschild für die Onkologie-Station gedacht, wo Blumen aus hygienischen Gründen nicht erlaubt sind.

„Ich bin seit der ersten Stunde dabei“, erzählt Elisabeth Schönerstedt. Das Atelier sei ein Lichtblick für sie: „Es hat mich durch alles durchgetragen.“ Malen und Zeichnen, das ist immer ihr Ding gewesen, aber im Atelier hat sie auch die Musik entdeckt. „Ich hatte zuvor nie ein Instrument in der Hand“, sagt Schönerstedt. Inzwischen liebt sie es, mit Ruth Breuer und den anderen zum Abschluss im Trommelkreis zu sitzen und zu improvisieren. „Man traut sich hier, was man sich sonst noch nie getraut hat“, sagt Elisabeth Schönerstedt.

Arbeiten am Gemeinschaftskunstwerk

„Wir wollen einen Raum schaffen, wo Patienten sich aufgehoben fühlen. Wer sprechen will, darf das, muss aber nicht“, sagt Christiane Riedel. So geht es am Tisch mal um Perücken, mal darum, ob ein Induktionsherd eine sinnvolle Anschaffung ist. „Ich fühle mich hier wohl, alle sind entspannt“, sagt Hannelore Thiele, die das Atelier zufällig entdeckt hat, da sie in Stuttgart in Behandlung ist. „Ich wusste erst gar nicht ob ich herkommen darf.“ Sie durfte. „Das ist jetzt mein freier Nachmittag, an dem ich machen kann, was ich will.“

Ein Pflichtprogrammpunkt aber steht jedoch an: bis Mai gilt es, ein Gemeinschaftskunstwerk anzufertigen. Eine überdimensionale Baseball-Kappe, die mit Stoff bespannt und bemalt wird. Die Megamütze soll als Teil der Skulpturenausstellung „Köpfe am Korber Kopf“ auf dem Korber Hausberg stehen. „Wir müssen uns ranhalten“, sagt Riedel, „wenn es knapp wird, müssen wir Sonderschichten einlegen.“

Eine Oase für Krebspatienten

Projekt: Das Atelier ResonanzRaum gibt es seit Juni 2016 im Rems-Murr-Klinikum Winnenden. Seine spezielle Kombination aus Musik- und Kunsttherapie ist in Deutschland einmalig. Menschen mit Krebserkrankungen, die stationäre und ambulante Patienten der Klinik Winnenden oder irgend eines anderen Krankenhauses sind, können dort künstlerisch tätig sein – mit Pinsel, Stift und Feder, aber auch mit Trommeln oder Klangschalen. Das Projekt wird aus Spenden der Firma Elanders finanziert.

Medizin: Kunst- und Musiktherapie können Patienten helfen, ihre Krankheit besser zu verarbeiten und letztlich den Krankheitsverlauf und die Heilungschancen verbessern.

Öffnungszeiten: Das Atelier ist freitags von 14 bis 17 Uhr geöffnet. Während dieser Zeit können die Teilnehmer ein- und ausgehen wie sie möchten und das tun, wonach ihnen ist: malen, zeichnen, Musik machen oder eine Tasse Tee trinken, plaudern oder zuhören. Die Themen der Gespräche bestimmen die Patienten.