Die Therapeutin Jutta Grywatz ist seit fünf Jahren im Esslinger Hospiz tätig. Sie bringt ihre berufliche Expertise ein, arbeitet aber auch als Trauerbegleiterin.

Für Jutta Grywatz ist es keine Frage: „Man sieht an der Art, wie jemand atmet, wie es ihm geht. Atem ist Ausdruck der Seele“, sagt die Atemtherapeutin, die seit fünf Jahren einmal pro Woche ins Esslinger Hospiz kommt. Die Ärztin hat nicht nur eine dreijährige Ausbildung zur Atemtherapeutin absolviert, sie ist zudem ausgebildete Trauerbegleiterin und arbeitet Hospizteam mit. Mit der Thematik von Sterben und Tod kam die 55-Jährige früh in Berührung – durch ihre Arbeit als Anästhesistin und durch den frühen Tod des Vaters.

 

Sterbenskranke sollen durch die Atemtherapie zu sich finden

Als Ärztin habe ihr oft die Möglichkeit gefehlt, mit Angehörigen und Patienten über das Sterben zu sprechen. Und sie hat erkannt: „Das Verbale reicht oft nicht.“ Deshalb wandte sie sich der Atemtherapie zu, die einen psychosomatischen Ansatz habe, erklärt Grywatz. „Ich begleite den Atem mit meinen Händen – im Atemrhythmus, aber auch durch sanften Druck und versuche so, die Wahrnehmung zu fördern, Festgehaltenes zu lösen und schließlich einen freien Austausch mit sich und der Lebenswirklichkeit zu fördern“, sagt sie. Angst etwa halte den Atem im oberen Brustbereich, Schmerz führe oft zu einer starren Haltung und lasse Menschen nicht tief durchatmen. Dies durch bestimmte Griffe und Berührungen aufzulösen, versuche die Atemtherapie. Sie ermögliche darüber hinaus ein Zu-sich-Kommen. Ziel sei es, den eigenen Körper und die eigene Lebenssituation wahrzunehmen.

Aus der Berührung in maximaler Offenheit und ohne jede Forderung könne sich ein Gespräch ergeben, sagt Grywatz. Manchmal spreche man dann über die Familie, über noch Unvollendetes, über den Tod aber auch über ganz alltägliche Dinge. „Viele fangen an zu erzählen, wie sie sich erleben und was ihnen Angst macht.“ Zuweilen fließen auch Tränen. „Manchmal lachen wir aber auch zusammen“, fügt sie hinzu. Doch nicht jeder wolle reden. „Manchmal ist es berührende Begleitung in Stille“, sagt Grywatz. „Jede Begegnung ist individuell. Es ist völlig unterschiedlich, auf welcher Ebene wir landen.“

Die Auseinandersetzung mit dem Tod hat ihr Leben verändert

Anders als in der Psychiatrie, wo Grywatz die Atemtherapie ergänzend in ihrer Arbeit als Ärztin nutzt, sind die Menschen im Hospiz besonders sensibel und zerbrechlich. Sie seien oft gleichzeitig unruhig und gelassen. „Atemarbeit kann diese Gegensätze von Unruhe, Angst und Ruhe verbinden und in Einklang bringen.“ Sie sei auch eine Unterbrechung von Schmerz und Leid, weil sich ein Wohlgefühl einstelle, erklärt sie.

Dass Jutta Grywatz zugleich Trauerbegleiterin ist, beeinflusst ihre Arbeit. „Ich habe mich mit meiner eigenen Trauer auseinandergesetzt und weiß, welche Vielfalt an Gefühlen dies bedeutet.“ Und sie tut ihre Arbeit im Bewusstsein, dass sie nicht weiß, ob der Mensch, den sie – manchmal seit Wochen – behandelt, bei ihrem nächsten Besuch noch lebt. „Zu wissen, es könnte die letzte Begegnung sein, macht mich konzentrierter.“ Und sie schiebt nichts auf. Die Auseinandersetzung mit Krankheit, Tod und Sterben hat Jutta Grywatz verändert. Sie nehme sich immer wieder Zeit innezuhalten und zu priorisieren, was in ihrem eigenen Leben wichtig ist. Dazu gehörte auch, die Anästhesie aufzugeben zu Gunsten der Begegnung und des Gesprächs mit Menschen.

Die Hospizleiterin Susanne Kränzle schätzt die Arbeit von Jutta Grywatz und hat gerne zugestimmt, als diese anbot, ins Hospiz zu kommen. „Die Rückmeldungen der Gäste sind durchweg positiv: ‚Frau Grywatz macht das toll‘, ‚Ich fühle mich richtig entspannt‘, ‚Ich kann mir selber guttun mit den Übungen, die ich gelernt habe‘ – so oder so ähnlich höre ich von unseren Gästen.“ Insofern freue sie sich sehr, dass Jutta Grywatz als Atemtherapeutin und ausgebildete Trauerbegleiterin das Hospiz Esslingen mitgestaltet und unterstützt“, betont Kränzle.

Weitere Infos finden Sie unter: www.hospiz-esslingen.de