Für Kleinkinder und Babys kann eine Infektion mit dem RS-Virus tödlich enden. Doch es gibt Hoffnung: Bald könnte es Impfstoffe geben, die schwere Verläufe verhindern.

Im vergangenen Herbst und Winter hat das RS-Virus nicht nur in Baden-Württemberg Schlagzeilen gemacht: Außergewöhnlich viele Babys und Kleinkinder waren infiziert und von schweren Atemwegserkrankungen wie Bronchiolitis und Lungenentzündung betroffen. Die Folge: lange Wartezeiten in Kinderarztpraxen und den Notaufnahmen, keine freien Betten – viele Kinderärzte und -kliniken in mehreren Bundesländern sprachen von einem Ausnahmezustand.

 

Zweithäufigste Todesursache bei Babys

Das RS-Virus (Respiratorisches Synzytial-Virus, RSV) ist gefürchtet, denn es gilt besonders für kleine Kinder als gefährlich. „Es handelt sich um das für Säuglinge gefährlichste Atemwegsvirus“, sagt Markus Rose. Weltweit ist es nach Angaben des Ärztlichen Leiters der Pädiatrischen Pneumologie im Olgahospital am Klinikum Stuttgart „nach Malaria die zweithäufigste Todesursache bei jungen Kindern“. Schätzungen zufolge starben im Jahr 2019 weltweit mehr als 100 000 Kinder an den Folgen einer Infektion.

Bisher gibt es aber keine gut wirkende Therapie und lediglich einen so genannten passiven Impfstoff aus Antikörpern als Schutz für Säuglinge. Die aufwendige, teure Behandlung ist Hochrisikopatienten vorbehalten, etwa chronisch Lungenkranken. Doch nun gibt es Hoffnung: Bereits im Herbst könnte ein Impfstoff auf den Markt kommen, der vor einer schweren Erkrankung schützt – und zwar über die werdende Mutter. „Dieses Konzept imitiert die Natur, da Mütter normalerweise ihre durch Infekte erworbenen Abwehrkräfte über das Nabelschnurblut und ihre Muttermilch an ihre Kinder vor und nach der Geburt weitergeben“, erklärt Markus Rose weiter.

Weitere Impfstoffe im Test

Entwickelt wurde der Impfstoff mit dem Namen RSVpreF vom US-Pharmariesen Pfizer. Das Unternehmen hat nun seine Studienergebnisse dazu veröffentlicht und spricht von „einem Durchbruch“. Die Phase-3-Studie mit rund 7400 Schwangeren in 18 Ländern habe gezeigt, dass die Impfung von werdenden Müttern „schwere Infektionen der unteren Atemwege bei Säuglingen in den ersten 90 Lebenstagen zu fast 82 Prozent“ verhindern konnte. Im Alter von sechs Monaten habe sich RSVpreF immer noch zu 69 Prozent wirksam gegen schwere Erkrankungen gezeigt.

Laut Pfizer gibt es derzeit keine Sicherheitsbedenken – in der Gruppe der Geimpften seien „nicht signifikant mehr unerwünschte Ereignisse“ aufgetreten als in der Placebogruppe. Aktuell werden zudem von anderen Firmen weitere Impfstoff-Kandidaten für Menschen ab 60 in Studien getestet, etwa von Moderna. Das Biotechunternehmen will aufgrund guter Ergebnisse in den USA noch in der ersten Jahreshälfte eine Zulassung für Erwachsene ab 60 beantragen. „Wir haben in den letzten Jahren zunehmend RSV auch als Problem der immer älter werdenden Bevölkerung wie auch der chronisch Kranken und Abwehrschwachen realisiert“, sagt der Stuttgarter Arzt Markus Rose.

Experten bleiben verhalten

Bei der Interpretation der Studienergebnisse gibt es jedoch auch Vorbehalte. Unter anderem waren nur gesunde Frauen an der Studie beteiligt, deren Schwangerschaft ohne Komplikationen verlief. „Eine endgültige Bewertung ist aufgrund der Pressemitteilung von Pfizer nicht möglich, dazu braucht man die Originaldaten“, schränkt der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission (Stiko), Thomas Mertens, ein. Das Unternehmen habe aber „eine ordentliche Publikation der Studienergebnisse angekündigt“.

Wie der US-Pharmakonzern mitgeteilt hat, hat die amerikanische Zulassungsbehörde FDA den Zulassungsantrag zur vorrangigen Prüfung akzeptiert. Ein Ergebnis soll im August vorliegen – und könnte somit rechtzeitig vor der RSV-Saison im Herbst zum Einsatz kommen. Auch in der EU wird der Impfstoffkandidat einer beschleunigten Bewertung unterzogen.

Pandemie hat Welle wohl begünstigt

„Das Thema ist insofern hochaktuell, als dass durch die Pandemie-bedingten Maßnahmen, etwa Gesichtsmasken, auch die ,normalen‘ RSV-Infektionen gesunder Erwachsener, die meist wie eine leichte Erkältung verlaufen, verhindert wurden und die Mütter weniger RSV-Abwehrkräfte auf ihre Kinder übertragen konnten“, führt Markus Rose aus. Dies habe vermutlich unter anderem die heftigen RSV-Wellen begünstigt.

Hochgerechnet auf alle in Deutschland lebenden Kinder mussten im vierten Quartal 2022 rund 17 000 unter Einjährige im Krankenhaus behandelt werden, wie kürzlich eine Analyse im Auftrag der Krankenkasse DAK ergab. Das seien fünfmal mehr als im gleichen Zeitraum 2018. Der Anteil auf den Intensivstationen sei um 350 Prozent gestiegen.