Sein Pro-Atom-Image könnte Stefan Mappus zwei Wochen vor der Wahl zum Verhängnis werden. Doch jetzt schlägt er nachdenklichere Töne an.

Stuttgart - Wie kaum ein anderer Spitzenpolitiker in Deutschland hat sich Baden-Württembergs Regierungschef Stefan Mappus (CDU) für die Atomenergie stark gemacht. Er wollte die Meiler mindestens 15 Jahre länger laufen lassen - und legte sich dafür sogar mit seinem Parteifreund Bundesumweltminister Norbert Röttgen an. Das Atomunglück in Japan kommt für Mappus jetzt zur denkbar ungünstigsten Zeit. Im Endspurt des Wahlkampfs rückt die Angst vor der atomaren Gefahr plötzlich wieder ins Zentrum der Politik.

 

Am Wochenende konnte sich der Ministerpräsident, der am 27. März wiedergewählt werden will, vor der eigenen Haustür ein Bild davon machen. Atomkraftgegner bildeten vom Sitz der Landesregierung aus eine Menschenkette, die bis zum 45 Kilometer entfernten Atomkraftwerk Neckarwestheim reichte. 60.000 Menschen kamen zu dem Protest und damit rund 20.000 Menschen mehr als erwartet.

Am Sonntag trat Mappus bei einem Termin in Oberschwaben vor die Presse und schlug einen neuen, nachdenklichen Tonfall in der Atomdebatte an. Selbst kürzere Laufzeiten will er nun offenbar nicht mehr ausschließen. „Ich stehe zu allen Diskussionen, was möglich ist, bereit“, sagte Mappus, sichtlich um Sachlichkeit bemüht. Atomkraftwerke müssten sicher sein, sonst würden sie sofort abgeschaltet.

"Wir sind nicht Japan"

„Die Sicherheit unserer Kernkraftwerke muss höchsten Ansprüchen genügen“, betonte Mappus. „Deshalb werde ich eine Expertenkommission einberufen.“ Diese solle analysieren, was in Fukushima passiert ist und ob es in den Südwestmeilern Fehlerquellen gibt. Mitglieder der Kommission sind unter anderen die ehemaligen Vorsitzenden der Reaktorsicherheitskommission, Klaus-Dieter Bandholz (Energiesysteme Nord) und Michael Sailer (Öko-Institut Darmstadt).

Er habe immer gesagt, dass es sich bei der Atomkraft um eine zeitlich befristete Brückentechnologie handle, betonte Mappus. Zu einem nationalen Dialog darüber sei er bereit. Es dürfe hinsichtlich der Kernenergie keine Denkverbote geben. Der Ministerpräsident warnte zugleich davor, die Katastrophe von Japan für den Landtagswahlkampf zu missbrauchen. „Wir sind nicht Japan mit regelmäßig stattfindenden Erdbeben und Tsunami“, betonte er.

Mappus bietet Hilfe an

 Für die Opfer des Erdbebens in Japan biete Baden-Württemberg jede erdenkliche Unterstützung an, sagte Mappus. Rettungshundestaffeln und der Kerntechnische Hilfsdienst zur Bergung und Räumung von Trümmern in radioaktiv verseuchten Gebieten stünden für einen sofortigen Einsatz bereit. „Wir stimmen uns eng mit der Bundesregierung ab. Ich habe mehrmals mit der Bundeskanzlerin telefoniert und unsere Hilfsbereitschaft vor allem beim Zivil- und Katastrophenschutz deutlich gemacht.“ Die Organisation der Hilfe übernehme ein Lagestab mit Innenminister Heribert Rech, Umweltministerin Tanja Gönner, Staatsminister Helmut Rau (alle CDU) und den Vorsitzenden aller im Landtag vertretenen Fraktionen.

Das Hilfsangebot richtete Mappus auch in einem Schreiben an Baden-Württembergs Partnerregion Kanagawa in der Nähe Fukushimas. Die Südwest-Kommunen, die Partnerstädte in Japan haben, bat der Ministerpräsident, ebenfalls Hilfen zu organisieren.

Umweltministerin Tanja Gönner (CDU) hatte bereits am Samstag erklärt, nötig sei nun eine breite gesellschaftliche Debatte über die Energiepolitik und die Atomkraft in Deutschland. Diese müsse sich aber an den Fakten orientieren. Grundsätzliche Kritik an den Anti-Atom-Protesten, wie sie zuvor noch formuliert wurde, vermieden die in Stuttgart Regierenden nach den Atomunglücken.

Auch der Koalitionspartner FDP schwenkte am Sonntag auf diese Linie ein. Und selbst der Chef des Atomkraftwerkbetreibers EnBW, Hans-Peter Villis, zeigte sich betroffen. „Nach Japan müssen wir in Deutschland nach den Konsequenzen fragen“, sagte er der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“.

SPD und Grüne erhöhen nun den Druck auf Mappus. Der SPD-Spitzenkandidat Nils Schmid (SPD) setzt im Wahlkampf auf die Atomdebatte und sagt: „Dieser Ministerpräsident hat keine Laufzeitverlängerung verdient.“ Grünen-Spitzenkandidat Winfried Kretschmann will aus Respekt vor den Opfern in Japan noch nicht beurteilen, ob die Atomunglücke der Anti-Atom-Koalition Rot-Grün Auftrieb geben wird: „Ich glaube, solche Gedanken sollte man bei so einer Katastrophe nicht haben. Es ist heute ein Tag der Trauer und Sorge.“